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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Magister hatte sich zu den Schaulustigen gesellt. Er blinzelte den Glasschleifer freundlich an.
    Joaquin grinste. Die Frage war zwischen ihnen abgesprochen. Sie gab dem Glasschleifer Gelegenheit, mit einem klaren Nein zu antworten, um allen Verdächtigungen und Unterstellungen einen Riegel vorzuschieben. »Oh nein!«, rief er aus. »Und wenn ich den Stein hätte, ich würde damit sowieso kein Gold herstellen.«
    »Nanu?«, wunderte sich der Magister.
    »Dem Lapis mineralibus, wie wir den Stein auch nennen, wohnen drei Eigenschaften inne: Erstens transmutiert er Metalle, zweitens ist er, in Wein aufgelöst, eine Universalmedizin, und drittens wirkt er darüber hinaus als ewiges Licht. Dazu wird ein Quantum des Steins in eine Glasampulle eingeschmolzen, wodurch sie ununterbrochen leuchtet, ohne jegliche Zufuhr von Brennstoff.« Joaquin breitete wie ein Priester die Arme aus.
    »Die letzte Möglichkeit würde ich wählen.«
    »Hm.« Der Magister schien schwer nachzudenken.
    »Könnte man denn einen Eurer roten Steine zu Pulver mahlen?«
    »Nun«, Joaquin zögerte, »das ist natürlich möglich. Aber meine Steine sind sehr teuer, besonders die roten.«
    »Tja dann ...«, der Magister hob bedauernd die Schultern.
    »Was wollt Ihr für diesen haben?« Dem Vierschrötigen war ein Geistesblitz gekommen. Er wies auf einen handtellergroßen rot marmorierten Stein.
    Joaquin stöhnte auf. »Oh, ausgerechnet der! Mein Lieblingsstück! Hab ihn unter dem Altar einer ausgebrannten Kirche entdeckt. Nur der Allmächtige weiß, wie er dahingekommen ist. Ich glaube, von dem kann ich mich nicht trennen.«
    »Wie viel?«, knurrte der Vierschrötige.
    »Ich weiß nicht. Eigentlich ist der Stein unverkäuflich. Nun, Euch zuliebe, sagen wir: vierundzwanzig Reales oder drei Silberpesos.«
    Der Vierschrötige schnappte nach Luft. »Das ist, das ist ...« Joaquin war sehr zerknirscht. »Ich wusste, dass ich Euch enttäuschen muss.«
    »Ich nehme ihn!«
    »Die Welt will betrogen sein«, kicherte der Magister, während er mit Joaquin den letzten Schaulustigen nachblickte. Neben dem Vierschrötigen hatten noch drei andere Zuschauer Steine gekauft und einen hübschen Batzen Geld in die Kasse gebracht. Doch mit der Zeit hatte das Interesse der Menge nachgelassen, und die meisten Leute waren jetzt auf dem Weg hinüber zu Vitus, angelockt von den Schmerzensschreien einiger Kranker.
    »Ich wollte dem Vierschrötigen eigentlich gar keine drei Silberpesos abnehmen, aber irgendwie hat mich der Teufel geritten«, meinte Joaquin. »Es traf ja wohl keinen Armen.«
    »Nein. Außerdem mochte ich ihn nicht. Nun hat er für seine Dummheit zahlen müssen.« Joaquin begann seine Sachen zusammenzupacken.
    »Was tun, um dem lieben Gott nicht die Zeit zu stehlen?«, überlegte der Magister laut. »Meine Übungseinheit fürs Antipodieren habe ich bereits hinter mir, die Zwillinge sind in die Stadt gefahren, Anacondus und Arturo studieren eine neue Nummer ein, Zerrutti und Maja ebenso ... Vielleicht sollten wir Vitus ein wenig bei seiner Kunst zusehen.« Er spähte hinüber zur anderen Seite der Wagenburg. »Kannst du erkennen, was er gerade macht?«
    Joaquin schaute auf. »Wieso? Er ist nicht da, ich sehe nur Tirzah.«
    »Ach so.« Der Magister blinzelte. »Bin stark kurzsichtig.« Der Glasschleifer blickte interessiert. »Du bist stark kurzsichtig?«
    »Von Kindesbeinen an, mein Freund. Der liebe Gott hat mir zwar insgesamt eine gute Gesundheit mit auf den Lebensweg gegeben, insofern will ich mich nicht beklagen, nur an der Sehstärke, da hat er ziemlich gespart.«
    »Das wusste ich nicht. Warte mal.« Joaquin kramte unter seinen Glaslinsen und hielt schließlich eine besonders fein polierte hoch. »Schau mal hier durch. Erkennst du Tirzah?« Der Magister tat wie ihm geheißen. Er schluckte. Blinzelte. Sagte lange Zeit nichts. Joaquin tat langsam der Arm weh. »Phantastisch«, hauchte der kleine Gelehrte endlich. »Dass es das gibt! Nicht zu fassen!«
    »Kannst du was erkennen?«
    »Ob ich was erkennen kann? Mensch, Joaquin, ich sehe eine neue Welt! Alles ist auf einmal so klar! Da kommt Vitus zurück, phantastisch!«
    »Freut mich, dass die Scheibe dir hilft.«
    »Hilfe ist gar kein Ausdruck! Was ist das für ein tolles Ding, ich weiß, die Lateiner nennen es Spekulum, aber das hier ist anders, besser ...«
    »Es ist eine Linse, Magister, mehr nicht.«
    »Und das Material?«
    »Beryll.«
    »Aha. Nie gehört. Wie viel kriegst du dafür? Ich muss das Ding unbedingt

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