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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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mir, den Mann zu drehen, sonst erstickt er noch an seiner eigenen Zunge.«
    Die Männer entfernten sich, blieben aber in einigem Abstand stehen.
    Behutsam drehten sie Klaas auf die Seite. Ein Stöhnen ging durch seinen Körper. Vitus untersuchte die Mundhöhle, forschte nach Blut darin, schaute in die Nasenlöcher, in die Ohren, fand auch dort kein Blut und war fürs Erste zufrieden. »Gottlob scheinen Lunge und Hirn in Ordnung zu sein, auch das Herz schlägt schon ruhiger.« Er prüfte die Bewegungsfähigkeit der einzelnen Gliedmaßen, indem er sie beugte und streckte. Neben einigen hässlichen Quetschungen und Schürfwunden war festzustellen, dass Klaas das linke Bein gebrochen hatte, ob kompliziert, das würde sich gleich zeigen.
    »Könnt Ihr sagen, ob er durchkommt?« Unverhofft war Fernandez herangetreten. Er hatte, von den sicheren Handgriffen Vitus' beeindruckt, das herabsetzende »Du« vermieden. Vitus erhob sich höflich. »Soweit ich sehe, hat er keine inneren Verletzungen. Er wird bald aufwachen.«
    »Seid Ihr Arzt oder Feldscher?«
    »Nein, ich habe zwar ab meinem zehnten Lebensjahr eine chirurgische Ausbildung im Kloster Campodios erhalten, aber ich besitze kein »weltliches« Examen.«
    Eernandez nickte. »Richtig, Ihr nanntet Euch vorhin Vitus von Campodios, stimmt's?«
    »Jawohl, Steuermann.« Vitus lächelte. Fernandez schien unter den Offizieren der einzige Mensch zu sein.
    »Vitus - und weiter?«
    »Weiter nichts, nehmt, wenn es Euch nichts ausmacht, meine Herkunft als Namen: Vitus von Campodios, oder nennt mich einfach Cirurgicus. Dies ist übrigens der Magister Garcia, er ist Jurist, arbeitet aber als mein Assistent.«
    »Gut, Senores, äh ... ich bleibe zunächst bei Vitus.«
    Fernandez wunderte sich über den fehlenden Nachnamen, fragte aber nicht weiter. »Wenn Ihr den Mann versorgt habt, meldet Ihr Euch bei mir. Meine Kammer liegt direkt über der Kajüte des Kapitäns.«
    »Jawohl, Steuermann.«
    Fernandez grüßte lässig und begab sich nach achtern. Vitus sprach einen athletischen Matrosen an, der unweit von ihnen an Deck saß und Tauenden zusammenspleißte. Der Mann trug ein ärmelloses Hemd und verfügte über bemerkenswerte Oberarmmuskeln.
    »Wie heißt du?«
    »Rod.« Der Mann grinste fröhlich. »Rod wie Roderic. Von den Orkney-Inseln hoch im Norden.«
    »Kannst du uns helfen, Klaas zu verarzten?«
    »Ich habe zwar gerade Wachdienst unter Battista, aber ich mach alles, was du sagst, solange du mir den Kraken vom Leib hältst.«
    »Den Kraken?«
    »Battista, den Kraken. Wir nennen ihn so, weil er für seine Fangarme berühmt ist. Fängt Leute an Land und bringt sie an Bord, na ja, ihr habt's ja am eigenen Leib erfahren. Battista ist, genau wie der Capitan und Don Alfsonso, erst in Santander aufs Schiff gekommen.«
    »Es gibt also eine Art Stammbesatzung und dazu Neue, so wie wir, die erst später dazugestoßen sind?«, fragte der Magister interessiert. »So ist's. Während unserer Werftliegezeit sind nämlich jede Menge Leute abgehauen, hatten keine Lust, im Hafen zu vergammeln, sind lieber nach Frankreich hoch und haben sich dort ein Schiff gesucht.«
    »Und diejenigen, die fort sind, mussten ersetzt werden. Zum Beispiel durch Männer wie uns«, ergänzte Vitus. »Ich verstehe.«
    »Genau.«
    »Zurück zu Klaas: Hol mir bitte als Erstes meinen Instrumentenkoffer. Er liegt neben meiner Kiepe im Vorschiff.«
    »Kein Problem. Bin schon unterwegs.«
    Überraschend schnell war Rod zurück, und Vitus kümmerte sich zunächst um die leichteren Verletzungen. Als er sich dem Bein zuwandte, schlug Klaas die Augen auf, blinzelte ein paar Mal und wollte sich erheben, doch der Schmerz riss ihn zurück.
    »Himmel und Hölle!«, ächzte er. »Was ist los?«
    »Du bist aus den Wanten gefallen, erinnerst du dich nicht?«
    »Doch ... schon.« Klaas blickte zum Hauptmast empor, dann nach achtern, wo Najera auf dem Oberdeck gestanden hatte. »Heilige Mutter Maria, ich danke dir, der Menschenschinder ist fort!« Abermals wollte er aufstehen.
    »Autsch, mein Bein!«
    »Ruhig, das wird schon wieder.« Vitus klopfte ihm auf die Schulter. »Du hast Riesenglück gehabt.« Doch Vitus ahnte nichts Gutes, als er die linke Hosenröhre am Oberschenkel aufschnitt. Er zog den Stoff zum Fuß hin fort und blickte auf das nackte Fleisch. Eine Handbreit unter der Kniescheibe standen Schien-und Wadenbein weiß, spitz und hässlich durch die Haut hervor.
    »Das wird Schwerarbeit«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Um

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