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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dauerte eine Weile, bis alle abgestiegen waren und sich gegen den Wagen stemmen konnten. Doch erst als Cécile ein Seil um die Vorderachse schlang und ihr Pferd mit einspannte, kamen sie frei.
    Auf der weiteren Strecke behielt Gisela die Zügel in der Hand, während Rachel grollend neben ihr saß. Ihre Erschöpfung zwang sie jedoch nach einer Weile, Thierrys Frau wieder lenken zu lassen. Sie selbst hatte Mühe, sich auf dem schwankenden Bock zu halten, zumal sie immer wieder kurz wegdämmerte und von lange vergangenen Ereignissen träumte. Wäre sie im Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen, hätte Rachel sich nicht so aufspielen können. Doch die anderen schlossen sich instinktiv der jungen, kraftvollen Amerikanerin an, die für alles eine Lösung zu haben schien.
    Mittag rasteten sie im Schatten eines Gebüschs und hielten sich dort länger auf, als es Gisela recht war. Sie hatte gehofft, die Strecke nach San Felipe de Austin in zwei Tagen zu schaffen. Doch es sah so aus, als würden es eher drei, vielleicht sogar vier Tage werden, die sie auf dem rüttelnden Wagen verbringen musste. Dies bedeutete auch, sich länger der Gefahr durch streifende Indianer auszusetzen. Mexikaner fürchtete sie weniger, obwohl es weiter im Süden einige Banden gab, die ihre Verbrechen nun unter dem Vorwand der Vaterlandsliebe begingen und hofften, deswegen von Santa Ana begnadigt zu werden.
    Auch am Nachmittag kamen sie nicht so gut vorwärts, wie Gisela es gerne gesehen hätte. Daher schlugen sie ihr Nachtlager bei einem Waldstück in einer Senke auf und hofften, dort nicht entdeckt zu werden. Allmählich machte Gisela sich Sorgen um Nizhoni. Diese war seit der Abreise unterwegs, und es konnte ihr alles Mögliche zugestoßen sein. Daher stieg sie den Hang hoch und sah sich um. Als sie in der Ferne eine Reiterin auf einer gescheckten Stute entdeckte, atmete sie auf. Dennoch nahm sie ihre Flinte zur Hand, um auf alles vorbereitet zu sein.
    Es war tatsächlich Nizhoni. Diese kam kopfschüttelnd näher und blieb vor Gisela stehen. »Ich habe euch ein Stück weiter erwartet. Doch was machen die da! Sind sie verrückt?« Sie trieb ihr Pferd an, ritt in die Senke hinein und sprang neben dem Feuer herab. Noch in der Bewegung riss sie den Feuerstoß, den Rachel und die anderen entzündet hatten, auseinander.
    »He, was soll das?«, rief Rachel empört, doch da fuhr Nizhoni wie eine gereizte Schlange herum.
    »Euer Feuer brennt viel zu hell! Jeder Tonkawa oder Karankawa kann es auf zehn Meilen sehen und jeder Komantsche auf dreißig.« Diesmal verstand Rachel sie, auch ohne dass ihr jemand die deutschen Sätze übersetzen musste.
    Ohne die Frau weiter anzusehen, richtete Nizhoni das Lagerfeuer neu, so dass die im Kreis liegenden Äste von innen nach außen abbrannten, und machte sich dann ans Kochen. Zwar kommentierte Rachel ihre Arbeit schnaubend, auf die Weise würde das Essen niemals fertig, doch schon bald zog ein verführerischer Duft durch die Senke und strafte die Amerikanerin Lügen.
    Im Gegensatz zu den anderen sagte Rachel nicht danke, als Nizhoni ihr einen Blechteller mit dem Eintopf reichte, sondern aß mit verkniffener Miene und starrte in die hereinbrechende Nacht. Geräusche drangen zu ihnen, die die Frauen in ihren Häusern noch nie gehört hatten und sie ängstigten.
    Als in der Ferne ein Kojotenruf erklang, zuckte Rachel zusammen. »Das war gewiss eine Rothaut! Diese ahmen oft Tierstimmen nach.«
    »Was sagt sie?«, fragte Nizhoni Gisela.
    »Es wird Zeit, dass du selbst Englisch lernst«, seufzte diese und erklärte es ihr.
    »Die Frau ist dumm! Das war ein Kojote. Eben schreit er wieder, und diesmal ist er weiter weg.«
    Diese Auskunft beruhigte Rachel ein wenig. Zwar war sie eine Siedlertochter, hatte sich aber nur selten weit von ihrem Wohnhaus entfernt und die wenigen Nächte in der Prärie in männlicher Gesellschaft verbracht. Sich nur mit anderen Frauen in der Wildnis aufhalten zu müssen, erfüllte sie mit Schrecken. »Wie lange werden wir brauchen?«, fragte sie, da sie selbst keine Ahnung hatte, wie weit es noch nach San Felipe de Austin war.
    Im Gegensatz zu ihr konnte Gisela sich halbwegs orientieren. »Wir werden auf jeden Fall noch eine weitere Nacht unter freiem Himmel verbringen. Übermorgen erreichen wir mit etwas Glück Belchers Farm und können dort übernachten. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur Stadt.«
    Die Aussicht, noch eine Nacht draußen verbringen zu müssen, bedrückte die anderen. Daher gab es

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