Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
und mit ihm zu reden. Außerdem, so sagte sie sich, würde er Rat wissen. Daher erklärte sie, dass die Gruppe am nächsten Morgen nach San Felipe aufbrechen würde.
Rachels Familie schien damit zufrieden. Da die Zahl der Gäste die Plätze am Tisch weit übertraf, brachten Rachels Schwestern Gisela und den anderen das Abendessen auf den Hof, so dass diese es auf dem mittlerweile abgespannten Wagen sitzend zu sich nehmen mussten.
Rachels Mutter ließ sich wenigstens in dieser Beziehung nicht lumpen, denn es gab genug zu essen für jede von ihnen. Wortfetzen, die Gisela auffing, entnahm sie, dass das Farmerehepaar bereit gewesen wäre, vielleicht noch eine Frau oder zwei aus der Gruppe aufzunehmen, doch Rachel redete es ihnen aus. Gisela konnte nicht begreifen, weshalb Rachel so schäbig handelte, denn sie, Walther und alle Nachbarn hatten der Frau und ihrem Ehemann Thierry stets geholfen.
»Ich hoffe, wir kommen bei Anneliese Belcher unter. Wenn wir uns in einem Hotel einmieten müssen, wird es teuer«, sagte sie zu den anderen, als sie schließlich allein waren, und erntete betroffenes Schweigen. Charlotte Poulain begann zu weinen, während Arlette Rachel mit sämtlichen französischen Flüchen bedachte, die sie kannte.
»Mein Mann wollte uns Texaner doch unterstützen«, wandte Gertrude ein. »Wenn er in San Felipe ist, wird er uns gewiss helfen.«
»Hoffen wir es und hoffen wir auch, dass unsere Männer noch dort sind«, antwortete Charlotte Poulain. Sie hatte die Reise krank angetreten und fühlte sich mittlerweile so schwach, dass sie nicht glaubte, sich am nächsten Morgen erheben zu können.
Gisela ging es kaum besser, doch sie wusste, dass sie sich nichts anmerken lassen durfte, damit die anderen den Mut nicht verloren.
8.
S an Felipe de Austin war seit Giselas letztem Besuch noch einmal gewachsen, und die Bevölkerungszahl schien sich inzwischen verdreifacht zu haben, so viele Menschen liefen auf den Straßen herum. Gisela kam mit dem Wagen kaum durch und war schließlich froh, als sie das Stadthaus der Belchers vor sich sah. Sie zügelte das Pferd, zog die Bremse an und forderte Nizhoni auf, nachzusehen, ob Anneliese Belcher bereits dort wäre.
Die Navajo schwang sich aus dem Sattel und trat auf das Haus zu. Da öffnete sich die Tür, und Anneliese trat heraus. Als sie Gisela erkannte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
»Ich dachte mir, dass ihr nicht bei den Gillings bleiben würdet, und habe mich gesputet, hierherzukommen. Aber ihr glaubt nicht, was hier los ist! Ich hätte alle Zimmer in weniger als einer Stunde dreifach vermieten können.«
»Oh Gott, dann hast du wohl keinen Platz mehr für uns?«, fragte Gisela erschrocken.
Anneliese hob die Rechte in einer beruhigenden Geste. »Keine Sorge! Ich finde für euch schon ein Plätzchen. Steigt erst einmal ab und kommt herein. Ich habe eben Kaffee aufgebrüht, und der Kuchen ist auch fertig. Die Pferde könnt ihr hinten in den Stall stellen und den Wagen daneben. Ihr werdet alles selbst tun müssen, denn meine beiden Söhne sind bei der Armee, und Andreas hat sich heute Morgen als Fuhrmann verdingt, um Houstons Truppe mit Nachschub zu versorgen.«
»Das machen wir, Anneliese!« Gisela selbst fühlte sich zu erschöpft, um auch nur eine Hand rühren zu können, und Charlotte Poulain war ebenfalls nicht in der Lage, etwas zu tun. Doch Nizhoni packte ohne Zögern mit an. Da ihr Cécile und Arlette halfen, war sie bald fertig und gesellte sich zu Gisela, die ihr den quengelnden Josef in die Arme drückte.
»Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Er wird hoffentlich nicht krank werden«, sagte sie.
Nizhoni musterte den Jungen und fand, dass er zwar erschöpft aussah, aber nicht krank. »Nach einer Tasse Pfefferminztee und einem Stück Kuchen geht es ihm sicher wieder besser«, beruhigte sie Gisela und führte Josef ins Haus.
Dort war bereits alles für den Nachmittagskaffee vorbereitet. Anneliese goss die Tassen ein und verteilte sie. Während die anderen Frauen Kaffee tranken, wählte Nizhoni für sich ebenfalls Pfefferminztee.
»In San Felipe ist derzeit sehr viel los«, erklärte Anneliese. »Allerdings treibt sich auch eine Menge Gesindel aus Louisiana und anderen Staaten hier herum. Es sind Leute, die nicht für uns kämpfen, sondern an uns verdienen wollen. Am schlimmsten ist dieser Spencer. Er hatte versprochen, dreihundert gut ausgebildete Freiwillige zu schicken, aber bisher hat sich noch kein einziger von ihnen sehen lassen.
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