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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zu verdienen.
    Anneliese Belcher hatte inzwischen die Zahl ihrer Pensionsgäste auf zehn erhöht, und fast alle stammten aus den Vereinigten Staaten. Ihren Worten zufolge kamen diese Leute, um den Texanern zu helfen. Doch das glaubten weder Gisela noch die Herbergswirtin.
    »Den Kerlen geht es nur darum, uns Texanern billig die Landrechte abzukaufen. Sie sind überzeugt, dass wir gegen Santa Ana verlieren. Dann aber, so hoffen die Schurken, werden die Vereinigten Staaten eingreifen und das Gebiet hier annektieren«, erklärte Anneliese, als sie mit Gisela und der still in sich gekehrten Charlotte in der Küche saß, während die anderen Frauen die Zimmer reinigten und die beiden Betten, die an diesem Tag frei wurden, neu bezogen.
    »Es gibt immer Menschen, die aus dem Unglück anderer Geld schlagen wollen«, antwortete Gisela bedrückt.
    »Wir einfachen Leute müssen zusehen, dass wir durchkommen«, erklärte Anneliese und wechselte das Thema. »Kannst du mir aus dem Laden Zucker besorgen? Er geht langsam zu Ende.«
    Ein kleines Fässchen Zucker glaubte Gisela trotz ihrer Schwangerschaft tragen zu können. »Das mache ich gerne. Gibst du inzwischen auf Josef acht? Ich will nicht, dass er auf die Straße läuft und von einem Wagen erfasst wird.«
    »Natürlich kümmere ich mich um unseren kleinen Mann. Wo ist er denn?« Anneliese sah sich suchend um und musste dann lachen. »Er ist natürlich bei deiner Indianerin. Die hat eine unendliche Geduld mit ihm. Ist schon ein feines Ding, recht hübsch sogar, selbst für unsere Vorstellungen. Du bist sicher froh, dass du sie hast.«
    »Allerdings«, sagte Gisela lächelnd. »Ich habe selten so viel Treue erlebt wie bei diesem schlichten Geschöpf.«
    »So schlicht ist sie nicht! Wenn ich daran denke, wie rasch sie die englische Sprache lernt. Sie hat sogar einen deutschen Akzent!« Anneliese lachte und stand auf. »Ich muss nachsehen, wie weit die anderen sind. Nicht dass sie ein Zimmer vergessen haben.«
    Das nahm Gisela nicht an. Auch wenn Arlette dafür anfällig war, etwas weniger zu tun, als sie sollte, so achtete Gertrude doch darauf, dass alles richtig gemacht wurde. Auch Cécile Poulain hatte sich als tüchtige Hilfe erwiesen. Deren Mutter aber bereitete ihnen Sorgen. Seit sie hier in San Felipe weilten, ging es mit Charlottes Gesundheit immer weiter bergab.
    »Der Arzt sollte wieder nach Charlotte sehen«, sagte Gisela draußen auf dem Flur.
    Anneliese zog eine verächtliche Miene. »Der war erst vor drei Tagen da und hat ihr ein Stärkungsmittel verschrieben. Ich würde es nicht nehmen. Meiner Meinung nach ist es irgendein Fusel, dem er auf gut Glück ein paar Kräuter beigegeben hat. Die indianische Medizin, die Nizhoni zubereitet hat, wäre viel wirkungsvoller.«
    »Aber Charlotte nimmt sie nicht, weil sie glaubt, es wäre Humbug. Dabei hat Nizhoni mir mit ihren Säften und Kräutern schon oft geholfen«, antwortete Gisela traurig.
    »Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.« Damit verabschiedete Anneliese sich und ging nach oben.
    Bevor Gisela das Haus verließ, schaute sie kurz nach Josef, doch der hing an Nizhonis Rockzipfel und plapperte englische Worte. Gisela lächelte, als sie es hörte. Kaum konnte ihre Navajo-Freundin ein wenig Englisch, brachte sie ihr Wissen auch schon dem Jungen bei.
    »Bleibst du hier, Josef? Ich muss rasch etwas besorgen«, sagte Gisela, als die beiden sie bemerkten.
    »Sollte nicht besser ich das übernehmen?«, bot Nizhoni an.
    Gisela schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht nötig. Mir tut es ganz gut, wieder ins Freie zu kommen.«
    »Das stimmt. Nur sind hier zu viele Menschen, als dass es Freude bereiten würde, hinauszugehen.«
    »Zu Hause war es schöner«, sagte Josef, dem es nicht passte, dass er in der Stadt nicht wie gewohnt herumstreunen durfte.
    »In ein paar Monaten ist dieser Krieg vorbei, und wir können wieder zurück auf unsere Farm!« Hoffentlich!, setzte Gisela für sich hinzu und streichelte den Jungen. »Ich habe dich lieb, Josef.«
    »Ich dich auch, Mama!« Er schmiegte sich kurz an seine Mutter, dann kehrte er zu Nizhoni zurück.
    »Go on!«, befahl er, so als wäre er hier der Herr.
    Während Nizhoni nachsichtig lächelte, schüttelte Gisela den Kopf. »Du solltest ihn nicht so verwöhnen!«
    »Josef ist klüger als die Kinder in seinem Alter, die hier in der Stadt leben«, behauptete Nizhoni.
    Auch wenn Gisela das Lob gefiel, wollte sie nicht, dass ihr Sohn so herausgehoben wurde. »Du solltest Josef

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