Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
»nämlich Jim Bowie und Friedrich Belcher. Der Junge war gerade mal siebzehn.«
»Der Krieg frisst immer die Besten und Jüngsten. Verdammt noch mal!« Houston spie aus und winkte dann einige seiner anderen Offiziere zu sich. »Gibt es Neuigkeiten von Santa Ana?«
»Tut mir leid, General, aber er hat mir heute noch nicht geschrieben«, antwortete einer der Männer grinsend.
Da kam ein anderer Offizier so schnell herangelaufen, dass der Dreck unter seinen Stiefel nur so spritzte. »General! Eben ist einer unserer Späher zurückgekommen. Er sagt, Santa Ana hätte seine Armee geteilt. General Urrea rückt mit seinen Männern gegen Goliad vor, während er sich selbst an unsere Fersen geheftet hat.«
»So? Hat er das?« Houston warf einen weiteren Blick über das Lager und dachte sich, dass die Männer freudiger über die schlammigen Straßen marschieren würden, wenn sie wüssten, dass die Auseinandersetzung mit Santa Anas Armee bald bevorstand.
»Wie weit ist Santa Ana noch weg?«, fragte er den Offizier, der die Meldung überbracht hatte.
»Anderthalb Tagesmärsche, sagt der Späher.«
»Das heißt, jetzt vielleicht noch eineinviertel, weil er in der Zwischenzeit gewiss nicht geschlafen hat. Gut so! Gentlemen, wir lassen ihn bis auf einen halben Tagesmarsch herankommen, dann brechen wir auf. Ich will, dass seine Armee Tag und Nacht beobachtet wird und man mich sofort informiert, wenn er zu stark aufholt oder zu weit zurückbleibt.«
»Ist es sinnvoll, General, ihn so nahe an uns herankommen zu lassen? Ein Nachtmarsch, und er überrascht uns unvorbereitet«, gab einer der Offiziere zu bedenken.
Houston wandte sich mit einer Miene zu ihm um, als zweifle er an seinem Verstand. »Was meinen Sie, warum ich laufend informiert werden will? Sehen Sie her!« Mit diesen Worten glättete Houston den Schlamm vor seinen Füßen und zog mit seinem Säbel mehrere Linien.
»Das hier ist Santa Anas Armee, das die unsere. Santa Ana wird bei diesen Verhältnissen Probleme haben, seine schweren Kanonen zu transportieren. Ich an seiner Stelle hätte sie in San Antonio zurückgelassen. So aber muss er die Marschgeschwindigkeit seiner Artillerie anpassen. Damit sind wir im Vorteil, da wir in jedem Fall schneller sein können als er.«
Bei diesen Worten wirkte Houston sehr zufrieden. »Auch wenn Santa Anas Armee die unsere um ein Mehrfaches übertrifft, so hat sie bei Alamo arg geblutet, und ihr fehlt bereits der Teil, den er General Urrea mitgegeben hat. Das dürfte die Moral der mexikanischen Soldaten nicht gerade heben. Aber überwacht auch Urrea! Ich möchte nicht, dass er und Santa Ana uns in die Zange nehmen können.«
»Ich kümmere mich darum«, erklärte Walther, salutierte und ging.
Die anderen sahen ihm nach, und einer schüttelte den Kopf. »Man merkt ihm den Preußen an!«
»Wenn er so gut kämpft wie einer, soll es mir recht sein«, meinte ein anderer und blickte Houston an. »Und wann knacken wir Santa Ana wie eine Nuss?«
»An dem Tag, an dem ich es für richtig halte, und keine Stunde eher!«
7.
G eneral Santa Anas Laune war denkbar schlecht. Trotz seines ausladenden Zweispitzes und dem Umhang aus gewachstem Tuch lief ihm das Regenwasser in den Nacken.
»Ein verfluchtes Wetter, sagen Sie nicht auch, Major?«
»So ist es, General!«, stimmte Ramón de Gamuzana seinem Kommandeur zu.
»Zum Glück ist es für diese verlausten Texaner ebenso schlecht!«
»So ist es, General!«
»Houston ist ein Feigling, finden Sie nicht auch, Major?«
Gamuzana nickte. »So ist es, General!«
Er merkte selbst, dass die Unterhaltung sehr einseitig war, doch er fühlte sich nicht in der Lage, etwas zur Erheiterung seines Oberbefehlshabers beizutragen.
»Wir werden bald Nachtlager beziehen«, fuhr Santa Ana fort.
»Das werden wir, General!«
»Sie sind beim Abendessen natürlich mein Gast!«
»Es wird mir eine Ehre sein, General.«
Santa Ana nickte zufrieden. »Wenigstens speisen wir besser als diese Texaner, die ihre rohen Maiskolben knabbern müssen. Außerdem leben wir amüsanter. Wenn Sie wollen, Major, können Sie heute Abend eine der Chicas haben.«
»Ich danke Ihnen, General!« Eine Nacht mit einem Mädchen, dachte Gamuzana, würde ihn die Nässe und die schlammigen Straßen von Texas vergessen machen.
Endlich erreichten sie ihren Lagerplatz. Während die einfachen Soldaten nach dem anstrengenden Marsch erst noch ihre Zelte aufbauen mussten, hatte die Vorhut Santa Anas Unterkunft bereits fertiggestellt.
Der
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