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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wahrer Christenmensch!«, stöhnte Gertrude und sah Gisela an. »Was machen wir jetzt?«
    »Wir lagern hier! Nizhoni soll ihre Stute ausschirren und nach San Felipe zurückreiten. Oder wollt ihr Marguerite ebenfalls im Stich lassen?«
    Gisela ärgerte sich über die Verzögerung, aber sie sagte sich, dass es nicht anders ging. Marguerite war Thierrys Schwester und stand ihr durch die gemeinsam durchlittenen Erlebnisse auf der
Loire
näher als Rachel.
    »Ein Lagerfeuer werden wir bei diesem Regen nicht entfachen können«, sagte Arlette bedauernd. Da auch der Boden zu nass war, würden sie in ihre schweren, nassen Decken gehüllt auf dem Wagen sitzen bleiben müssen, bis Nizhoni wieder zu ihnen aufgeschlossen hatte.
    Die junge Navajo nahm das Wetter gelassener hin als die weißen Frauen. Sie konnte nichts daran ändern, daher hatte es ihrer Ansicht nach auch keinen Sinn, sich darüber zu ärgern. Jetzt galt es erst einmal, Marguerite zu finden. Daher befreite sie die Schecke vom Zuggeschirr, schwang sich auf den blanken Pferderücken und trabte los.
    Da ihr auf der Straße immer wieder Flüchtlinge entgegenkamen, ritt sie quer über das Land und erreichte San Felipe in weniger als einem Viertel der Zeit, die sie mit dem Wagen bis zu der Stelle gebraucht hatten, an der die anderen auf sie warteten. Marguerite zu finden erwies sich jedoch als schwieriger. Nizhoni fragte etliche Menschen nach ihr, erhielt aber oft genug nur Beschimpfungen, die ihrer Herkunft galten. Schließlich erreichte sie Anneliese Belchers Pension. Die Tür stand offen, und auf der Straße lagen etliche Gegenstände, die anzeigten, dass Leute geplündert hatten, aber nicht alles hatten mitnehmen können.
    Ein Schatten hinter der Tür ließ Nizhoni aufmerken. Sie schwang sich aus dem Sattel, behielt aber die Zügel ihrer Stute in der Hand, weil sie den Menschen ringsum nicht traute.
    »Marguerite, bist du es?«, rief sie.
    Zuerst erhielt sie keine Antwort, doch dann kam die Vermisste tropfnass und verheult aus dem Haus.
    »Nizhoni! Gott sei Dank, du bist es!« Marguerite fiel ihr um den Hals und wollte sie nicht mehr loslassen. »Es war entsetzlich! Rachels Vater hat mich einfach davongejagt. Daraufhin bin ich ganz allein von seiner Farm in die Stadt gelaufen und habe gehofft, ich könnte mich euch anschließen. Hier habe ich gehört, dass ihr schon fort seid, und bin fast verzweifelt!«
    Ein Zupfen am Zügel erinnerte Nizhoni daran, dass es auf der Welt noch etwas anderes gab als die vermisste und wiedergefundene Frau. Sie drehte sich um und sah einen Mann, der sich auf ihre Stute geschwungen hatte und nun versuchte, ihr die Zügel zu entreißen.
    »Runter von meinem Pferd«, schrie Nizhoni wütend, doch der Mann trat nach ihr und zerrte noch fester am Zügel.
    »Marguerite, hilf mir!« Noch während Nizhoni es rief, zückte sie ihre Großvaterpistole und schlug die Waffe auf den Mann an. »Ich sagte: Runter von meinem Gaul! Wird’s bald, oder muss ich abdrücken!«
    Es war lächerlich, wie rasch der Kerl vom Rücken der Stute glitt und verschwand. Zufrieden steckte Nizhoni die Waffe wieder weg und zwinkerte Marguerite zu.
    »So ein Trottel! Jeder Komantsche hätte gesehen, dass das Pulver auf der Zündpfanne nass ist und ich gar nicht schießen kann. Aber jetzt sitz auf! Ich möchte so schnell es geht zu den anderen zurückkehren.«
    Marguerite gehorchte, brauchte aber ihre Hilfe. Dann blickte sie auf Nizhoni herab. »Steigst du nicht auch mit auf?«
    »Dafür ist die Stute zu klein. Ich führe sie.«
    Nizhoni verließ San Felipe mit einem Gefühl der Bitterkeit. Dies alles, so sagte sie sich, hätte Gisela sich ersparen können, wenn sie den Rat von Fahles Haar befolgt hätte. Wenige Tage vor der Geburt ihres Kindes Regen und Kälte ausgeliefert zu sein war gewiss die Hölle für ihre Freundin.

9.
    G isela weinte vor Erleichterung, als sich Nizhoni, Marguerite und die Stute aus dem Regenvorhang herausschälten. Ihre indianische Freundin sah jedoch sehr ernst aus, als sie neben dem Wagen stehen blieb.
    »Wir müssen unsere Waffen bereithalten. In der Stadt wollte mir einer die Schecke wegnehmen. Zwar konnte ich ihn mit meiner Pistole verscheuchen, hätte aber nicht schießen können, weil das Pulver nass war.«
    »Warum tun Menschen so etwas?«, fragte Gisela fassungslos.
    Nizhoni zuckte mit den Achseln. »Die weißen Männer sind nun einmal so. Wer stark ist, nimmt sich das, was er braucht, wenn es einem Schwächeren gehört.«
    »Was machen wir

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