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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jetzt? Ziehen wir noch ein Stück weiter, oder übernachten wir hier?«, fragte Gisela weiter.
    Nach einem Blick in die Runde half Nizhoni Marguerite vom Pferd und führte dieses nach vorn, um es wieder anzuspannen. »Hier ist kein guter Platz für ein Nachtlager. Weder können wir das Wasser des Tümpels trinken noch ein Feuer entzünden, um unsere Decken zu trocknen.«
    »Wie lange werden wir unterwegs sein?«, wollte Rachel wissen.
    Nizhoni wandte sich mit einer Geste der Verachtung zu ihr um. »Bis wir in Sicherheit sind!«
    Danach kümmerte sie sich nicht mehr um die Americana, sondern forderte Cécile auf, Fleur anzuspannen. Sie selbst hätte die Fahrt lieber über das freie Land fortgesetzt, doch Gisela wollte den Kontakt zu den anderen Flüchtlingen nicht verlieren. Daher reihten sie sich mit ihrem Gespann wieder in den langen Wagenzug ein, der von San Felipe ostwärts strebte.
    Ein Reiter trabte an den Flüchtlingen vorbei und zügelte sein Pferd neben Giselas Wagen.
    »Seid ihr Frauen allein?«, fragte er.
    Gisela erkannte in ihm Silas Parker, einen Ranger der Miliztruppe, die Stephen Austin aufgestellt hatte. Eigentlich hatte sie erwartet, diese Männer würden alle bei Sam Houstons Armee sein. Doch zumindest Parker ritt, wenn er zur Schlacht wollte, in die verkehrte Richtung.
    »Ja, wir sind allein, weil unsere Männer mit Sam Houston ziehen«, antwortete sie daher schroff.
    »Houston wird uns bald eingeholt haben. Er und seine Leute laufen vor den Mexikanern davon, als wären ihnen Flügel gewachsen.«
    Diese Worte machten den Ranger Gisela noch unsympathischer, und sie wies mit einer weit ausholenden Bewegung auf den schier endlosen Zug der Flüchtlinge. »Hier sind mehr Männer, als Houstons Armee zählt. Würden sie für Texas kämpfen, müsste Sam Houston sich nicht vor Santa Ana zurückziehen.«
    Nun sah Silas Parker aus, als hätte er Zahnschmerzen, und einige andere Männer senkten ebenfalls betroffen den Kopf. Moses Gillings aber spuckte seinen Priem über die Köpfe seiner Töchter ins freie Feld und grinste. »Die hat wirklich Haare auf den Zähnen!«
    Ein paar Männer lachten, und der kurze Moment der Scham, die die meisten empfunden hatten, verflog.
    »Ich muss mich um meine Frau und meine Töchter kümmern«, fuhr Gillings fort. »Wären es Söhne, wären sie natürlich bei Houstons Armee.«
    Auch andere Männer brachten jetzt Gründe vor, die sie daran gehindert hatten, sich den texanischen Truppen anzuschließen. Das Gejammer wurde schließlich sogar Silas Parker peinlich.
    »Meine Kameraden und ich haben den Befehl erhalten, die Zivilpersonen zu eskortieren. Sobald die Frauen und Kinder in Sicherheit sind, werden wir zu Houston reiten, und wir erwarten, dass jeder echte Texaner mit uns kommt!«
    »Ich sicher nicht!«, rief einer aus. »Ich kehre mit meiner Familie nach Alabama zurück. Dieses Texas kann mir gestohlen bleiben. Hier gibt es mir zu viele Indianer und Mexikaner.«
    »Ich glaube nicht, dass du ein Verlust für uns bist«, knurrte der Ranger und ritt weiter.
    »Wir werden bald lagern!«, rief er über die Schultern zurück, dann spritzte der Schlamm unter den Hufen seines Pferdes auf und überschüttete Rachels Vater und dessen Familie mit Dreck.
    »Verdammter Kerl!«, schrie Gillings ihm nach, doch niemand kümmerte sich um ihn.
    »Das vergönne ich Vater und meinen Schwestern ebenfalls!« Rachel klang rachsüchtig, denn so willkommen, wie sie erwartet hatte, war sie zu Hause nicht gewesen.
    Der kalte Regen biss Gisela in die Finger, und während ihr Wagen fast bis zu den Achsen im Straßenschlamm versank, wanderten ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit. So ähnlich wie hier war es auch auf dem Rückzug in Russland gewesen. Fast erwartete sie, dass Schnee fallen und das Vorwärtskommen unmöglich machen würde.
    Bis zu dem Platz, an dem die Ranger die Gruppe lagern lassen wollten, waren es noch mehrere Meilen. Dort waren von einer Vorhut bereits mehrere Feuer entzündet worden. Das nasse Holz qualmte jedoch so stark, dass sich niemand daran aufwärmen konnte, ohne halb zu ersticken.
    Gisela versuchte es trotzdem, gab es aber nach wenigen Augenblicken auf. Dennoch hustete sie sich fast die Seele aus dem Leib und fühlte sich zuletzt so elend, dass sie sich einfach auf den Boden sinken ließ.
    Mit viel Mühe und gutem Zureden gelang es Nizhoni, sie dazu zu bewegen, wieder auf den Wagen zu steigen. Die Indianerin spannte eine Lederdecke als Regenschutz über sie und

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