Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
unserem Kleinen denn?«
Über Giselas Gesicht huschte ein Schatten. »Er verträgt die Kuhmilch nicht und ist sehr schwach. Ich hoffe, die Amme kommt nicht zu spät.«
»Ich bin so schnell geritten, wie ich konnte«, sagte Walther hilflos. »Auch habe ich mich bei den Komantschen nicht lange aufgehalten, sondern dem Häuptling sofort meine Büchse überlassen, als er sie von mir forderte.«
Betroffen sah Gisela ihn an. »Das tut mir leid!«
»Für den Jungen und dich würde ich noch viel mehr opfern.«
Walthers Lächeln tat Gisela gut. Als dann auch noch das Kind, das ermattet eingeschlafen war, erwachte und mit lauter Stimme verkündete, dass es hungrig sei, schöpfte sie Hoffnung.
»Es wird alles gut werden!«, sagte sie und streckte die Hände nach Walther aus. »Lass dich umarmen!«
Er schüttelte den Kopf. »Lieber nicht! Ich bin schrecklich schmutzig und muss mich erst waschen. Dann möchte ich schlafen. Ich habe kein Auge zugetan, seit ich von hier losgeritten bin.«
Nun erst bemerkte Gisela die Spuren, die die Erschöpfung in sein Gesicht gegraben hatte, und ihr Herz machte einen Sprung. »Einen Mann wie dich kann es nur einmal geben!«
»Stelle mich nur nicht auf ein Podest, sonst bekommst du mich nicht mehr herunter.« Walther lachte leise, sah sich dann aber Arlette gegenüber, die hereinkam, um für Nizhoni etwas zum Anziehen zu besorgen.
Die Französin suchte das Kleid heraus, welches Gisela bereits bei der Überfahrt auf der
Loire
getragen hatte.
»Gleich kriegst du was zum Essen, mein Schatz«, sagte sie in Richtung des Säuglings und wandte sich Gisela kurz zu. »Die Wilde kommt genau richtig. Ihre Brüste strotzen nur so vor Milch!«
Mit den Worten huschte sie hinaus.
Gisela wollte fragen, wie die Indianerin denn wäre, da schleppten Rosita und Arlette die junge Frau auch schon herein. Mit einem scharfen Blick musterte Gisela die Amme und fand sie jünger, als sie erwartet hatte. Ihre Haut war von der Sonne gedunkelt, das Haar glänzte nach dem Bad feucht und schwarz, und in den Augen las sie Angst.
Sofort wallte Mitleid in ihr auf, und sie lächelte Nizhoni freundlich an. »Sei mir willkommen!«
Verwundert über die freundliche Stimme wandte Nizhoni sich ihr zu. Das ist also das Weib von Fahles Haar, stellte sie fest. Die Frau war auch für eine Weiße viel zu bleich und ihr Gesicht eingefallen. Auch glänzten Schweißperlen auf ihrer Stirn. Dann aber zog das Greinen des Kindes ihre Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig trat sie auf die Wiege zu und sah den Jungen an. Er war recht kräftig und schlug mit seinen kleinen Fäusten um sich. Unzweifelhaft hatte er Hunger.
Deswegen hatte Fahles Haar sie geholt, fuhr es Nizhoni durch den Sinn. Sie beugte sich über die Wiege, hob das Kind heraus und sprach beruhigend auf es ein. Das Schreien steigerte sich jedoch. Daher wollte sie ihre Brüste freilegen, kam aber mit dem ungewohnten Gewand nicht zurecht.
Rosita half ihr und legte ihr den Jungen an die Brust. Prompt schnappte der Kleine nach der Brustwarze und begann misstrauisch, daran zu saugen. Als er die warme Milch spürte, entspannte er sich und trank sich unter gelegentlichem Schmatzen voll.
»Das haben Sie gut gemacht, Señor!«, lobte Rosita Walther.
Dieser nickte erleichtert und fühlte gleichzeitig die Müdigkeit wie eine riesige Woge über sich zusammenschlagen. »Ich werde mich draußen waschen und dann hinlegen. Weckt mich, wenn etwas Besonderes sein sollte.«
»Danke!«, sagte Gisela nur und sah ihm nach, bis er das Haus verlassen hatte. Dann wandte sich ihr Blick der Indianerin und dem Jungen zu. Einen Augenblick lang empfand sie Neid, weil die Frau das Kind nähren konnte und ihr dies verwehrt blieb. Dann aber sah sie Rosita fragend an.
»Wo ist denn das Kind der Indianerin?«
»Es war keines dabei. Vielleicht hat sie es einer anderen Frau überlassen.«
Gisela musterte die Indianerin und erkannte den traurigen Ausdruck auf deren Gesicht. Gewiss war das Kind der jungen Frau gestorben, sagte sie sich, und ihr Mitleid wuchs. Als Josef schließlich satt war und Arlette ihn neu wickelte, stand Gisela mühsam auf, ging auf Nizhoni zu und fasste nach deren Händen.
»Ich danke dir, dass du gekommen bist!«
Erneut nahm Nizhoni wahr, dass die Frau von Fahles Haar freundlich zu ihr sprach, auch wenn sie deren Worte nicht verstand. In ihrem Herzen war noch immer die Trauer um ihr eigenes Kind. Dennoch spürte sie, wie es sie zu dem Kleinen hinzog, der von der anderen Frau eben
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