Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Don Hernando war so freundlich, den überlebenden Auswanderern anzubieten, auf Don Ramóns Landlos zu siedeln.«
»Sind die anderen auch Deutsche?«, fragte der General.
Walther schüttelte den Kopf. »Nein, Euer Exzellenz! Bei den meisten handelt es sich um Franzosen.«
»Frankreich ist mir zu gut Freund mit den sogenannten Vereinigten Staaten von Amerika«, antwortete Santa Ana kühl. »Sie wissen, dass Sie, wenn Sie in Mexiko bleiben wollen, katholischen Glaubens sein und Ihren Namen auf mexikanische Weise führen müssen?«
»Das hat Don Hernando mir als Erstes erklärt«, gab Walther zurück.
»Dies ist auch geschehen, Euer Exzellenz«, mischte sich nun Don Hernando ein. »So steht dieser Herr als Señor Waltero in unseren Listen und wird von seinen Nachbarn und Peones auch so genannt.«
»Dann will ich hoffen, dass Sie ein echter Mexikaner werden und sich nicht auf die Seite dieser unverschämten Americanos schlagen. Hat deren Präsident es doch gewagt, uns anzubieten, unsere Provinz Tejas für ein paar lumpige Dollars an sie zu verkaufen. Glauben die Americanos, der geheiligte Boden Mexikos sei eine Ware, die auf dem Markt ausliegt?«
»Das wusste ich nicht.« Walther schwirrte der Kopf. Die Vereinigten Staaten wollten Tejas kaufen! Im Augenblick hätte er nicht zu sagen vermocht, ob er dies wünschen sollte. Die Amerikaner, die er bisher kennengelernt hatte, waren nicht die Nachbarn, die ihm gefallen würden. Anderseits trat ihm General Santa Ana viel zu großspurig auf. Er war mit Gisela über den Atlantik gekommen, um hier als freier Mensch zu leben und nicht, um vor einem Grafen buckeln oder vor einem General strammstehen zu müssen.
Antonio López de Santa Ana erweckte jedoch den Anschein, als würde er dies von allen Menschen um ihn herum erwarten. Auch Ramón de Gamuzana machte auf Walther keinen so guten Eindruck wie dessen Bruder. Mit einem Mal bedauerte er es, dass die
Loire
hier und nicht vor der Küste der Vereinigten Staaten gestrandet war. Sicher waren nicht alle Amerikaner solche Hinterwäldler wie die Männer um Nicodemus Spencer.
Da er sich jedoch in Mexiko angesiedelt hatte und mit dem Land zurechtkommen musste, sprach er Gamuzanas Bruder an. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Don Ramón.«
»Jemelin sagte, Sie seien tüchtig. Dies erleichtert mich, denn ich befürchte, dass er mit den neuen Siedlern nicht zurechtkommen würde.«
Diese Worte nahmen Walther noch mehr gegen Ramón de Gamuzana ein. Diego Jemelin die Bezeichnung »Señor« zu versagen war unhöflich, und ihn für unfähig zu erklären, sich um die Neusiedler zu kümmern, eine glatte Unverschämtheit. Immerhin war es Jemelin zu verdanken, dass die Ansiedlung bisher so gut vorangekommen war.
Daher wandte er sich an Hernando de Gamuzana. »Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt in die Stadt zurückreiten und mir einen Eindruck von den Neusiedlern verschaffen. Meine Herren, es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
Mit diesen Worten verließ Walther die Hütte und befahl dem ersten Knecht, der ihm über den Weg lief, den Mustang zu bringen. Als er losritt, blickten die beiden Gamuzanas und der General ihm nach.
»Das ist kein Mann, den ich mir gerne zum Feind machen würde«, erklärte Don Hernando. Es klang wie eine Warnung an seinen Bruder. Doch dieser wechselte nur einen kurzen Blick mit Santa Ana.
»Ihre Exzellenz, wir sollten zum Fest zurückkehren. Die Señoritas warten auf uns.«
9.
D as Lager der Neusiedler wirkte ordentlich. Frauen in bunten Trachten wuschen die Wäsche oder ihre Kinder, und die Männer besserten ihre Ausrüstung aus. Doch schon auf den zweiten Blick bemerkte Walther die unsichtbaren Grenzen, die das Lager in drei Teile spaltete. Jede dieser Gruppen blieb für sich, und wenn doch mal jemand versuchte, Kontakt aufzunehmen, so wurde er entweder nicht beachtet oder sogar mit harschen Worten zurückgescheucht.
In Walthers Augen war das keine gute Grundlage für die lange Reise in ihr Siedlungsgebiet. Irgendwie hatte Ramón de Gamuzana doch recht. Diego Jemelin hätte sich mit diesen Siedlern schwergetan, aber er zweifelte auch daran, ob es ihm gelingen würde, die Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen und unbeschadet ins Siedlungsgebiet zu bringen. Mit diesem Gedanken hielt Walther in der Mitte des Lagers seinen Mustang an und blieb erst einmal im Sattel, bis er bemerkt wurde.
Langsam wandten sich ihm alle Blicke zu, und die Gespräche erstarben. Drei Männer kamen heran und
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