Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
blieben vor ihm stehen. Einer war ein untersetzter Mann mit pechschwarzen Augenbrauen und einem ebensolchen Schnurrbart. Er steckte in roten Kniehosen, einem weißen Hemd und einer ärmellosen roten Weste. Der Zweite trug lange weiße Leinenhosen, ein ebensolches Hemd und hatte sich einen reich bestickten Mantel um die Schultern gelegt. Den Kopf beschattete ein Filzhut, dessen breite Krempe es mit einem hiesigen Sombrero leicht aufnehmen konnte. Der Dritte war mit einer dunkelbraunen Soutane bekleidet und wies sich mit dem Kreuz auf der Brust als Priester aus.
Walther wartete noch einen Augenblick, dann sprach er die drei auf Spanisch an. »
Buenas días!
Mein Name ist Walther Fichtner, und ich wurde von Don Ramón de Gamuzana beauftragt, Sie und Ihre Leute zu Ihrem geplanten Siedlungsgebiet zu führen.«
An den Mienen der Männer konnte er erkennen, dass sie nicht das Geringste verstanden hatten. Daher wiederholte er seine Worte auf Englisch und sah den Priester aufatmen.
»Ich bin Father Patrick und von den guten Leuten aus Kerry, Cork, Clare und Galway gebeten worden, die Verhandlungen mit den mexikanischen Behörden für sie zu führen.«
Auch Walther war erleichtert. »Hochwürden, es wäre mir eine Freude, wenn Sie meinen Sohn taufen könnten, sobald wir meine Farm erreicht haben!«
»Gerne!«, erklärte der Ire.
Die beiden anderen Männer fühlten sich missachtet und redeten gleichzeitig in ihren Muttersprachen auf Walther ein.
Er verstand kein Wort und hob die Hand. »Einen Moment! Versteht einer von Ihnen Spanisch oder Englisch?«
Beide schüttelten den Kopf, obwohl sie den Sinn von Walthers Worten nur aus dessen Miene gelesen hatten.
»Welche Sprache verstehen Sie?« Walther sagte es erneut auf Spanisch und Englisch und wiederholte es auf Deutsch. Da hob der Mann mit dem bunten Mantel die Hand.
»Mein Name ist Krzesimir Tobolinski. Unser Vaterland war Polen. Nachdem der Zar von Russland, der König von Preußen und der Kaiser von Österreich unsere Heimat wie einen Geburtstagskuchen zerstückelt haben, habe ich mit meiner Sippe beschlossen, unser Glück auf dieser Seite des Ozeans zu suchen.«
Sein Deutsch wies einen starken Akzent auf, doch er und Walther konnten sich verständigen.
Mit dem dritten Mann war es jedoch unmöglich. Walther versuchte es auch noch auf Latein, das er auf der Universität gelernt hatte, doch das verstand nur Father Patrick, während der Mann in der roten Kniehose verwirrt den Kopf schüttelte.
Nun trat ein junger Mann vor und sprudelte heftig gestikulierend einige Worte in einer Mischung aus Latein und seinem eigenen Dialekt hervor, so dass Walther ihn mit einiger Mühe verstehen konnte.
»Ich bin Tonino Scharezzani und kann für meinen Patron übersetzen.«
»Und warum bist du nicht gleich hergekommen?« Walther ärgerte sich, weil der junge Mann ihn minutenlang in verschiedenen Sprachen hatte reden lassen, obwohl ihm klar gewesen sein musste, dass sein Anführer keine davon verstand.
»Es wäre einer Beleidigung unseres Patrons gleichgekommen«, erklärte Scharezzani mit einem scheuen Seitenblick auf diesen.
»Es war unnötig, mich den Mund fusselig reden zu lassen«, wies Walther den jungen Mann zurecht.
Er wollte weitersprechen, doch da hob Scharezzanis Anführer die Hand und redete auf diesen ein.
»Mein Patron will, dass ich ihm berichte, was Sie bis jetzt gesagt haben«, erklärte Scharezzani und gab dann einen Wortschwall von sich, dessen Ausmaß nach Walther eine stundenlange Rede gehalten haben musste.
Nun erst begriff Walther, weshalb Diego Jemelin geradezu erleichtert gewesen war, die Verantwortung für die Neusiedler auf ihn abschieben zu können. Eine Herde Kühe musste leichter zu leiten sein als diese Gruppe aus rebellischen Iren, misstrauischen Polen und starrköpfigen Siedlern aus Sizilien. Da er keine Lust hatte zu warten, bis Scharezzani seinem Anführer alles haarklein berichtet hatte, unterbrach Walther den Mann.
»Ich werde jetzt erklären, wie es weitergeht. Sollten Sie oder jemand anders Fragen haben, kommen diese am Ende.«
»Wir haben etliche Fragen«, wandte Tobolinski ein.
»Das haben wir tatsächlich«, erklärte nun auch Father Patrick.
»Darüber sprechen wir später! Da mittlerweile, wie mir gesagt wurde, auch die Siedler auf dem zweiten Schiff eingetroffen sind, werden wir in spätestens drei Tagen aufbrechen und mehrere Wochen unterwegs sein. Da Sie auf Ihrem neuen Land noch nichts ernten können, müssen Sie genug
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