Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
mitzukommen. Wer es tut, wird mit Sicherheit nicht schlechter gestellt sein als die anderen Siedler vor euch. Etliche haben sogar mit weniger anfangen müssen als ihr.«
An diesen Worten hatten die Leute zu kauen. Die Männer der einzelnen Gruppen setzten sich zusammen und redeten erregt aufeinander ein. Wenig später waren die Frauen mit dem Abendessen fertig und teilten es auf. Niemand hielt es jedoch für nötig, auch Walther etwas anzubieten. Er beschloss, sich nicht darüber zu ärgern, verließ das Siedlerlager und ritt in den Ort. Vor der Cantina rief er einen Knecht zu sich, trug ihm auf, den Mustang unterzustellen und zu füttern, und trat ein.
10.
D ie Cantina war gut besucht. Unter den Gästen waren Vaqueros von den umliegenden Haciendas sowie Handwerker, und an einem Tisch, der etwas erhöht stand, saßen einige wohlhabende Geschäftsleute und Landbesitzer, die nicht in den Genuss einer Einladung zu Mercedes de Gamuzanas Geburtstagsfeier gekommen waren.
Walther sah die Magd des Wirtes auf sich zukommen.
»Wünschen Sie etwas zu trinken, Señor?«
»Ja, aber auch etwas zu essen und ein Bett für drei Nächte!« Nachdem er mehrere Tage unter freiem Himmel geschlafen hatte, freute sich Walther auf ein Dach über dem Kopf.
Die junge Frau rümpfte angesichts seiner staubigen Kleidung die Nase. »Bevor Sie hier übernachten, sollten Sie sich waschen!«
»Das habe ich auch vor, und zwar jetzt gleich«, antwortete Walther gelassen.
»Dann kommen Sie! Felipe wird Ihnen Wasser besorgen und Ihre Kleidung ausbürsten.«
Die Frau führte Walther durch eine Seitentür in einen Gang, von dem aus eine Treppe nach oben zu den Zimmern führte. Am Fuß der Treppe saß ein älterer Mann, der zu schlafen schien.
Als die Schankmagd auf ihn zutrat, öffnete er die Augen und blinzelte sie an. »Was gibt es?«
»Dieser Señor will hier übernachten und benötigt Wasser zum Waschen. Außerdem musst du seine Kleider ausbürsten.«
Felipe musterte Walther und schüttelte spöttisch den Kopf. »Ein Americano, der sich wie ein Mexikaner kleiden will.«
Walther gab nichts auf seine Worte, sondern folgte ihm nach oben und zog sich aus, während Felipe aus der Küche warmes Wasser holte und ihm sogar Seife mitbrachte. Diese brannte elend in den Augen, doch nach einer Viertelstunde war Walther sauber. Auch seine Kleidung war vorzeigbar, denn Felipe hatte auch noch das letzte Staubkörnchen aus Hose, Hemd und Weste gebürstet.
»Muchas gracias!«,
sagte Walther und steckte ihm ein paar Centavos zu.
Das Gesicht des Knechts hellte sich sofort auf, und er folgte Walther nach unten. »Sie sind doch kein Americano! Die sprechen unsere Sprache anders.«
»Ich komme aus Europa«, antwortete Walther.
Jetzt dämmerte es Felipe, wen er vor sich hatte. »Sie sind gewiss der Alemán, dessen Schiff ein Stück weiter im Süden untergegangen ist, nicht wahr?«
»Das stimmt!« Walther nickte dem Mann kurz zu und betrat die Wirtstube, die noch voller geworden war.
Ein junger Bursche spielte Gitarre und sang mit schmelzender Stimme, während die Gäste ihm mit begeisterten Mienen zuhörten. Auch Walther blieb kurz stehen und lauschte. Dann sah er sich nach einem freien Platz um. Die meisten Tische waren besetzt, aber bei den Männern auf dem erhöhten Teil der Cantina waren noch ein paar Plätze frei. Walther überlegte, ob er sich einfach zu den Hacienderos und Geschäftsleuten hinzusetzen sollte, da entdeckte er in der hintersten Ecke einen Tisch, an dem ein einzelner Mann saß. Mit seinen braunen Hosen, dem gleichfarbigen Rock und dem europäisch anmutenden Hut unterschied er sich von den anwesenden Mexikanern.
Neugierig geworden, trat Walther auf ihn zu. »Ist es erlaubt, sich zu Ihnen zu setzen?«
»Aber gerne!« Auch der andere verwendete die spanische Sprache, doch bei ihm klang sie härter als gewohnt.
Walther nahm Platz und erhielt von der Wirtsmagd einen Becher Wein und einen Teller mit Tortillas, deren Füllung sich von der Schärfe her mit denen von Rosita Jemelin messen konnte. Während er aß, schwieg der Fremde, musterte ihn aber neugierig.
Kaum hatte die Magd den Teller weggeräumt, sprach er Walther auf Englisch an. »Sie sehen mir nicht aus wie ein Einheimischer. Kommen Sie auch aus den Vereinigten Staaten?«
»Nein, aus Europa, genauer gesagt dem jetzigen Preußen.« Walther wechselte nun ebenfalls in die englische Sprache über.
»Also gehören Sie zu den Siedlern in Gamuzanas Kolonie.«
Zuerst verstand Walther
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