Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
gegen Châtel zu bedeuten hat? Bedauert der Heilige Stuhl die Gnade der Vorsehung, welche mich vor dem Messer des Mörders bewahrte?«
Da der Nuntius auf diese gereizte Frage nicht sofort antwortete, blickte ich in den Spiegel. Sein rosiger Teint hatte sich dem Ton seiner purpurnen Soutane genähert, sein Gesicht war schmerzlich und klagend verzogen, und Geigen schluchzten, als er schließlich sprach.
»Sire«, sagte er, »ich wäre unendlich betrübt, wenn Ihr meintet, der Heilige Vater könnte auch nur einen Augenblick in der Zuneigung nachlassen, die er für Euch hegt. Es mag ja sein, daß die Prälaten der Inquisition, die ihm zu diesem Verbot rieten, einige Logik darin sahen, zugleich mit Arnaulds Anklagerede auch deren Annexe für nichtig zu erklären.«
»Der Prozeß gegen Jean Châtel«, sagte der König, »und der Prozeß gegen die Jesuiten sind zweierlei. Man kann die Ausweisung der Jesuiten beklagen, ohne zugleich die Hinrichtung des Mannes zu bedauern, der mich ermorden wollte. Ich ehre und verehre Papst Paul V. und freue mich außerordentlich, daß er, wie Ihr sagtet, Zuneigung für mich hegt, aber es wäre mir angenehmer, er liebte mich eher lebendig als tot!«
»Oh, Sire!« sagte der Nuntius, »ich wäre zutiefst bekümmert, wenn ein solcher Gedanke Euch in den Sinn käme. Ichkann Euch versichern, daß Seine Heiligkeit jeden Tag für Eure Erhaltung betet.«
»Ich weiß ihm dafür den größten Dank. Beachtet indessen, welche Unordnung das päpstliche Edikt in meinem Reiche bewirkt hat. Das Pariser Parlament in seiner Entrüstung darüber, daß man sein gerechtes Todesurteil für einen Königsmörder auf den Index setzt, hat das päpstliche Verbot für null und nichtig erklärt und hat befohlen, es zu verbrennen.«
»Aber, das, Sire, geht denn doch zu weit!«
»Monseigneur, ich habe dem Parlament verboten, seinen Spruch auszuführen, aber nicht allein, um nicht die ganze Christenheit in Empörung zu versetzen, sondern auch, weil hierauf in Paris sogleich ein Krieg der Streitschriften ausbräche, und wer weiß, ob nicht einige zu dem Schluß kämen, nun, da das päpstliche Edikt diesen Jean Châtel freigesprochen hat, sei es statthaft, mich zu meucheln ...«
»Oh, Sire! Diese Worte zerreißen mir das Herz! Ich bin zutiefst betroffen. Und ich glaube, ich käme von Sinnen, müßte ich deren noch mehrere anhören. Sire, ich flehe Euch an, mir Urlaub zu gewähren.«
»Herr Nuntius«, sagte der König nicht ohne Sarkasmus, »bitte, kommt nicht von Sinnen, bevor Ihr nicht gehört habt, zu welchem Schluß ich über das päpstliche Edikt gelangt bin. Ich widerspreche der Verdammung der
Histoire universelle
von De Thou nicht. Das ist Sache der Inquisition. Dafür sehe ich mit Stirnrunzeln die Verdammung der Arnauldschen Rede gegen die Jesuiten, die seinerzeit voll gerechtfertigt war. Und was die Nichtigerklärung des Urteils gegen Châtel betrifft«, fuhr der König mit schärferer Stimme fort, »so betrachte ich diese nicht etwa nur für null und nichtig, sondern sehe sie als einen Angriff auf meine Sicherheit an und als einen Affront gegen meine Person! ... Infolgedessen bitte ich Seine Heiligkeit inständigst, mich dieser Schmach zu entheben und besagtes Verbot zu widerrufen.«
»Der Papst, und sein Verbot widerrufen!« schrie der Nuntius auf, in dessen Stimme alle Klageweiber zusammen winselten. »Aber der Papst, Sire, spricht im Namen Gottes! Und wie, Sire, könnten wir urbi et orbi zugestehen, der Papst, der seine Eingebungen vom Heiligen Geist erhält, habe sich geirrt? Es wäre der Würde des Heiligen Stuhles unendlich abträglich!«
»Ihr werdet ein Mittel finden, Herr Nuntius, dieses Verbot zu widerrufen, ohne die Würde des Papstes anzutasten. Der Heilige Stuhl ist sehr subtil. Bis dahin, Monseigneur, wäre ich in einer solch tiefen Betrübnis, daß ich Euch keine Audienz gewähren könnte, so groß auch immer mein Wunsch wäre, Euch zu sprechen, und meine Freude, Euch zu sehen.«
»Sire, ich werde nicht versäumen, Seiner Heiligkeit zu übermitteln, welches Mißfallen dieses Verbot Euch bereitet, und ich bin sicher, daß Seine Heiligkeit unfehlbar einen Trost für Eure Majestät finden wird.«
»Das Wort ›Trost‹ bedünkt mich hier seltsam«, sagte der König, »wenn aber Trost, so erwarte ich diesen mit Ungeduld.«
Und er verabschiedete ihn. Der »Trost«, den der Nuntius dem König versprochen hatte, ließ einige Wochen auf sich warten, und als er endlich kam, entbehrte er in der
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