Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
den Saal gemacht hatte und an meinen Ausgangspunkt zurückkehrte, fand ich auf dem Schemel, den ich schon als den meinen betrachtete, zu meiner großen Überraschung Noémie de Sobol, die unter ihrem flammenden Haar so angeregt aussah und ein kleines Licht in den grünen Augen hatte, das mir zu denken gab.
»Ihr habt einen Platz, Madame!« sagte ich, »wie, zum Teufel, habt Ihr das gemacht?«
»Der Edelmann, der hier saß, hat mir seinen Sitz abgetreten.«
»Aus freien Stücken?«
»Nicht ganz. Ich mußte erst ohnmächtig werden.«
»Hat er’s geglaubt?«
»Halbwegs. Notgedrungen mußte ich ihm einen Tanz und einen Kuß versprechen.«
»Und haltet Ihr das Versprechen?«
»Ich glaube kaum. Er roch so nach Knoblauch. Und, um ehrlich zu sein, habe ich auf Euch gewartet.«
»Auf mich, Madame? Das ist ein so charmanter Gedanke und eine so große Ehre, daß ich gern wüßte, wie Ihr vom ersten zum zweiten kamt?«
»Seit wann seid Ihr argwöhnisch?«
»Seit ich Euch näher kenne.«
»Monsieur, dafür verdientet Ihr eine Ohrfeige.«
»Die könnt Ihr mir gar nicht geben: Ihr sitzt, und ich stehe.«
»Wahrhaftig! Gegen Euch habe ich doch nie das letzte Wort. Gut, ich will Euch alles sagen. Wie ich erfuhr, soll der nächste Tanz eine Courante de Vendée sein, und weil der König sie nicht tanzen will, spendiert er zur Entschädigung einen Preis von hundert Ecus für das Liebespaar, das er am komischsten finden wird.«
»Woher wißt Ihr das?«
»Ich habe mich zärtlich gegen den Schmerbauch von Monsieur de Réchignevoisin gelehnt.«
»Mußtet Ihr sehr drücken?«
»Es ging. Dafür habe ich herausbekommen, was sich Neues vorbereitet.«
»Ich wußte gar nicht, daß Monsieur de Réchignevoisin so anfällig für Frauen ist.«
»Das ist er eben nicht. Er hat mir nur alles gesagt, damit ich verschwinde. Ihm genügen seine eigenen Rundungen.«
»Ich kenne Eure erste Prämisse, ich kenne Eure zweite Prämisse, ich erwarte Eure Schlußfolgerung.«
Dieser Rückgriff auf einen Syllogismus kam mir selbst ein wenig knabenhaft und pedantisch vor. Ich versuchte aber nur, diesem Frauenzimmer beizukommen, da ich das Gefühl hatte, daß sie mir wie ein Aal durch die Finger glitt.
»Nun zu dem, Monsieur, was Euch freuen wird. Wenn Ihr mich um diesen Tanz bitten würdet, wäre ich so gütig, ihn Euch zu gewähren.«
»Eure Voraussetzung ist falsch: nicht ich bitte Euch.«
»Monsieur!«
»Daran ist nichts Kränkendes, Madame: Ihr seid die Schönheit selbst. Aber wozu schon wieder schwindeln? Die Bittstellerin seid Ihr, das ist schreiend klar.«
»Ich hätte geschwindelt?«
»Zuerst spielt Ihr ohnmächtig, um meinen Schemel zu ergattern. Dann droht Ihr mir zum Schein eine Ohrfeige an. Ihr beutet Monsieur de Réchignevoisin aus, und nachdem Ihr überall nach mir gesucht habt, tut Ihr so, als glaubtet Ihr, ich hätte mich hinter meiner Grünpflanze versteckt, nur um Euch zum Tanz zu bitten.«
»Herr im Himmel, habt Ihr ein Mundwerk! Gut denn. Seien wir offen.«
»Das ist immer das beste, Madame, wenn man nicht mehr weiter weiß.«
»Monsieur, nie werd ich glauben, daß Ihr fünfzehn seid. Einen Witz habt Ihr!«
»Soviel nun auch nicht. Weil nämlich Euer kleines Kompliment meinem Stolz dermaßen schmeichelt, daß ich mich Euch zu Füßen werfen könnte.«
»Ach, bitte, werft Euch!«
»Wenn ich mich werfe, dann nur, um Euch unter den Rock zu kriechen.«
»Monsieur, das ist niederträchtig! Was führt Ihr für schamlose Reden! Noch ein Wort, und ich gehe.«
»Dann bliebe mir wenigstens ein Trost: mein Schemel.«
»Monsieur! Das ist unwürdig.«
»Verzeihung, Madame, aber Euer ganzes Gerede ist eine Kraut-und-Rüben-Suppe. Schüttet sie doch aus und zeigt mir ein für allemal den Boden vom Topf.«
»Also, Herr Tyrann, da Ihr nicht nachlaßt, will ich Euch sagen, um was es geht: Ich wäre mir ziemlich sicher, die hundert Ecus Preisgeld samt dem dazugehörigen Ruhm zu erringen, wenn Ihr die Courante de Vendée mit mir tanztet.«
»Wie kommt Ihr darauf?«
»Welche Dame kann der König denn krönen? Keine der berühmten Schönheiten des Hofes: die Königin wäre tödlich beleidigt. Welchen Edelmann wird der König krönen? Keinen unserer verführerischen Galane: sie sind seine Rivalen. Ihr hingegen, Monsieur, seid zu jung, um ihn zu beunruhigen. Und ich, was zähle ich schon? Und wird der König nicht schließlich Madame de Guise eine Freude machen wollen, indem er den Preis ihrem Patensohn gibt?«
»Das ist aber
Weitere Kostenlose Bücher