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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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schlau gedacht!«
    »Außerdem hätte ich die hundert Ecus bitter nötig.«
    »Wieso hundert? Stünde mir nicht die Hälfte des Preises zu?«
    »Oh, Monsieur! Wäret Ihr so ein Knicker, mir diese kleine Hälfte streitig zu machen?«
    »Bestimmt. Bin ich in Eurem kleinen Gebäude nicht der Schlußstein?«
    »Gut, gut, Ihr habt gewonnen! Streiten wir nicht weiter. Die Zeit drängt. Also, sagt Ihr ja?«
    »Noch nicht, Madame. Bei der Courante de Vendée, wo von beiden Seiten zuerst enttäuschte Liebe und dann ihr Sieg gemimt werden muß, ist die Partnerwahl nicht ganz unwichtig. Sie kann eine Neigung offenbaren, macht sie sogar öffentlich. Bevor wir einschlagen, möchte ich, daß wir uns versichern. Ihr fragt Ihre Hoheit, ob sie einverstanden ist, und ich meinen Vater.«
    »Ich bewundere Eure Vorsicht.«
    »Oh, Madame, die ist brandneu: ich bin gerade erst hereingelegt worden.«
    »Aber ich bin doch nicht aus dem Mehl, woraus böse Weiber gebacken sind – sofern man tut, was ich will ...«
    Ich lachte, und der Irrwisch lief mit wippendem Flammenschopf so schnell davon, wie man in dem Gedränge laufen konnte, um an der Tür der alten Kemenate auf die Herzogin zu warten und ihr unser kleines Anliegen vorzutragen. Was mich angeht, der ich nun auf dem Schemel saß, den sie geräumt hatte, so brauchte ich meinen Vater nicht erst zu suchen: er kam zu mir, da er ja wußte, dort würde er mich finden. Ich erzählte ihm leise den listigen Plan der Sobol. Er lachte.
    »Ich sehe kein Ungemach«, sagte er dann nachdenklicher, »wenn Ihr daran teilnehmt. Um so weniger, als die Courante de Vendée mehr gespielt als getanzt wird und also ein komödisches Element enthält. Drückt nur tüchtig auf diese Tube! Je mehr man über Eure Pantomime lacht, desto weniger ernst nimmt man das Gefühl, das sie angeblich verrät. Und, mein Sohn, solltet Ihr die Palme gewinnen, laßt der Sobol die Ecus.«
    »Wie, alle?«
    »Wollt Ihr, daß man über Euch sagt, ›das Faß stinkt immer nach dem Hering‹, und daß man Euch immer wieder vorwirft, aus einer hugenottische Familie zu kommen? Nein, spielt den Großmütigen! Und so, daß jedermann es erfährt! Im übrigen ist die Sobol ein armes Ding. Was gibt man schon einer Ehrenjungfer, doch nur Topf, Feuer und die Lumpen, die man selbst nicht mehr will? Und wer wird sie jemals heiraten? Die schönen Mitgiftjäger, in die sie vergafft ist? Oder ein alter, nicht eben reicher und nicht eben appetitlicher Edelmann, den ihre Frische verlockt? Bedauert sie und laßt Ihr den Gewinn.«
    »Ich tue es«, sagte ich.
    Bis jetzt hatte ich für die Sobol zwar durchaus Freundschaft empfunden, mich aber über ihre kleinen Schliche eher amüsiert. Nun aber sah ich ein, daß ich mich ihr gegenüber wie ein Leichtfuß benommen hatte, der nicht begriff, daß ihre Listen nur die Waffe waren, mit der sie beherzt gegen ihren traurigen Stand ankämpfte.
    Ohne dessen aber in der Hitze des Augenblicks zu gedenken, kam sie ganz vergnügt und munter zurück, obwohl Ihre Hoheit nicht allzu gnädig gewesen war, weil sie beim König nur ein befristetes und nicht etwa sofortiges Pardon für ihren Sohn erwirkt hatte. »Was, zum Teufel«, hatte sie gesagt, »soll mir das ausmachen, Kindchen, mit wem Ihr Eure blöde Courante tanzt?«
    Nun steckten die Sobol und ich die Köpfe zusammen, beratschlagten hinter vorgehaltener Hand wie die Spitzbuben auf dem Jahrmarkt und vereinbarten allerlei Farcen, die wir dem traditionellen Muster hinzufügen wollten, um der Pantomime mehr Pfeffer und Witz zu geben. Denn auf diese kommt es bei der Courante de Vendée an und nicht so sehr auf den Tanz, der aus Lauf- und Hüpfschritten besteht, die man mit stolzer Haltung, erhobenem Kopfe und geschwellter Brust vollführt. Sowie Monsieur de Réchignevoisin seine Ankündigung ausgerufen hatte, indem er die Börse mit den hundert Ecus, die der König stiftete, recht laut hatte klingeln lassen, hallte der Ballsaal von einem großen Geraune wieder und begann sogleich vor Aufgeregtheit zu brodeln, so als wären all diese schönen Herren und edlen Damen in Gold, Perlen und Diamanten verzweifelt auf jene hundert Ecus erpicht, um anderntags ihr täglich Brot kaufen zu können. Übrigens war das nicht völlig falsch. Wie ich von meinem Vater wußte, befanden sich die meisten der hohen und weniger hohen Herrschaften, die in Paris lebten, ständig in Geldnöten, angefangen mit meiner Patin, was aber niemand hinderte, ruhig zu schlafen als auch prächtige Feste zu

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