Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
geben.
Offensichtlich waren an dieser Aufgeregtheit überwiegend aber Liebe, Spiel und Wetteifer beteiligt. Vor unseren belustigten Augen, denn wir waren bereits ein Paar, machte sich ein jeder auf die Suche nach seiner erwünschten Tänzerin, die wiederum ihrerseits alle Energie daran setzte, sich zu zeigen oder zu entziehen, je nachdem, ob sie die Erwählte sein wollte oder nicht.
»Wißt Ihr, meine Freundin«, fragte ich Noémie, »mit wem Madame de Guise tanzen wird? Mit meinem Vater?«
»Nicht doch, sie ist in ihrem Zimmer und hat schwer damit zu tun, ihren Joinville zu trösten, der im mütterlichen Bett flach auf dem Bauch liegt und heult wie ein großes Kalb.«
»Oh, habt Ihr keinen größeren Respekt vor einem Prinzen?«
»Prinz hin, Prinz her, ich mag ihn nicht. Er geruht nie, mir einen Blick zu gönnen.«
»Wie? Nicht einmal bei diesem betörenden Dekolleté?«
»Nicht einmal bei diesem Dekolleté«, sagte sie tiefernst. Dabei«, fuhr sie mit einem zärtlichen Blick auf ihren Busen fort, »ist das, was ich zeige, mindestens so schön wie das, was die Moret auslegt: nicht so groß vielleicht, aber fester.«
»Meine Freundin, wie soll ich Euch glauben? Nicht das Auge prüft die Festigkeit.«
Sie lachte.
»Kommt mir nicht wie der ungläubige Thomas. Den Beweis erlaube ich Euch doch nicht! Ich frage mich bloß«, setzte sie hinzu, »von wem Ihr diese unerschütterliche Sicherheit habt: von Eurem Vater vielleicht? Wißt Ihr, daß ich in Euren Herrn Vater ganz vernarrt bin?«
»Daraus schließe ich, daß er Euch schon mehr als einen Blick gegönnt hat.«
»Oh, ja! Und auch mehr als ein Wort, wenn Ihre Hoheit nicht zugegen war. Wahrhaftig, er ist überaus reizend zu mir. Aber im Unterschied zu seinem Sohn immer in den Grenzen der Ehrbarkeit.«
»Und der Vorsicht.«
»Wer wäre nicht vorsichtig« sagte sie lachend, »wenn Eure teure Patin hinterm Vorhang lauert?«
Allmählich hatte ich diesen Irrwisch sehr gern: sie war so fröhlich, so offen und auch so tapfer in ihrer vergoldeten Armut.
Da Monsieur de Réchignevoisin nun sah, daß die Paare sich endlich gefunden hatten, stieß er seinen Stock auf die Estrade der Musikanten und forderte uns auf, uns vor ihm in einer Reihe aufzustellen. Was auch recht schnell geschah, doch mußte er uns auf zwei Reihen verteilen, weil es zu viele Paare waren. Ich achtete darauf, mich in die zweite Reihe zu begeben und ganz ans Ende, weil ich meinte, man würde sichunsere kleine Komödie besser merken, wenn wir als letzte drankämen.
Die Musikanten stimmten die ersten Takte an, Stille trat ein, und laufend und hüpfend führten die Herren der ersten Reihe ihre Damen ans andere Ende des Saals und ließen sie dort, hübsch aufgestellt vor der königlichen Estrade, dann wandten sie Ihren Majestäten den Rücken und tanzten allein zurück zu ihrem Ausgangspunkt.
Nun begannen die Soli. Ein jeder Tänzer schritt heiter lächelnd auf seine Dame zu, indem er die heftigste Liebe zu ihr bekundete. Doch war er bei ihr angelangt, erwies sie ihm mit der Hand und mit aufgeworfenem Kopf die schnödeste Abfuhr und kehrte ihm den Rücken. Der Unglückliche begab sich alsdann mit allen Zeichen tiefster Verzweiflung wieder in seine Anfangsreihe. Nachdem nun alle von ihren Schönen so grausam abgefertigt worden waren, machten sie gemeinsam einen letzten Versuch, liefen hin, warfen sich ihrer Dame zu Füßen, riefen: »Erbarmen!« mit flehenden Händen: hierauf ergaben sich diese, und die Paare waren wieder vereinigt.
Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete ich, wie es die Edelleute vor mir machten, besonders die anerkannten Galane des Hofes: Bellegarde, Schomberg, Bassompierre, Sommerive oder der Comte d’Auvergne. Ich fand sie höchst elegant, aber durchaus nicht belustigend genug in ihrem Spiel, weil es ihnen mehr darauf ankam, die Gesellschaft zu bezaubern als sie zum Lachen zu bringen. Sie gaben sich nicht genug preis: man spürte zu sehr den Gecken. Meines Erachtens hätte Angoulevent, wenn er mitgetanzt hätte, seine Sache weitaus komischer gemacht, denn da er wußte, daß er nicht anziehend war, hätte er nicht erst versucht, den Schönen zu spielen.
Besser fand ich die Damen, die sich ohnehin ja auf allerlei Mienen verstehen. Doch selbst ihren Zurückweisungen sah man noch den Wunsch an, verführerisch zu wirken, und so reizend sie auch sein mochten, spielten sie zu sehr die Spröden. Toinon an ihrer Stelle wäre offenherzig drauflos gegangen und hätte sehr viel mehr
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