Der Wolf aus den Highlands
Stellvertreter brutale Schläger waren. Sie benutzten ihre Fäuste und Schlimmeres, um ihre Regeln durchzusetzen und ihre Herrschaft über die Menschen von Dunncraig zu festigen. James ging davon aus, dass die Folter und der Tod vieler seiner Bewaffneten gereicht hatten, den Menschen die Gefahr von Klagen und Widerstand klarzumachen. Die Schreie von starken, tapferen Männern brachten viele dazu, sich aus Angst vor einem ähnlichen Schicksal zurückzuhalten. Aber dass MacKay auch Annora und Meggie nicht verschonte, hatte James so aufgeregt, dass er kurz davor gewesen war, etwas sehr Unüberlegtes zu tun. Es hatte Stunden gedauert, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dass er nicht sofort dagegen einschreiten konnte, ja, dass er sich vielleicht sogar selbst dann noch würde zurückhalten müssen, wenn so etwas wieder vorkam, führte dazu, dass bittere Wut in seinem Bauch zu einem Wackerstein wurde.
»Aye, er schlägt sie, aber nicht so fest, dass ein bleibender Schaden entsteht«, sagte Big Marta leise.
»Und jetzt soll ich mich besser fühlen?«
»Das habe ich nur gesagt, damit Ihr nicht vorschnell handelt und bei dem Versuch, ihnen zu helfen, alles verliert. MacKay ist nur ein einziges Mal so wütend auf Annora geworden, dass er sich nicht gezügelt hat, doch Egan hat ihn weggezogen, bevor er größeren Schaden anrichten konnte. Ich habe mich danach um das Mädchen gekümmert; sie sah wirklich nicht gut aus, aber es war nichts gebrochen, nicht einmal ihr Mut. Bei dieser Gelegenheit habe ich gemerkt, dass sie ziemlich viel Mut hat, auch wenn sie ihn gut verbirgt. Nur deshalb bleibt sie hier – deshalb und weil sie die kleine Meggie liebt.«
»Ich finde nicht schnell genug heraus, was ich wissen muss«, murrte James und raufte sich die Haare.
»Ihr habt doch nicht etwa geglaubt, dass der Mann ein schriftliches Geständnis herumliegen lässt, damit alle es sehen und lesen können, oder?«
»Freches Weib.«
»Aye, und darauf bin ich stolz. Aber es gibt bestimmt Beweise, es gibt bestimmt etwas oder jemanden, der all die Lügen und Täuschungen dieses Mistkerls offenlegen kann.«
»Du klingst ziemlich sicher.«
»Das bin ich auch. Er ist einfach viel zu vorsichtig. Ein Mann, der so vorsichtig ist, weiß, dass es etwas gibt, was ihm schaden kann. Der Mann hat Geheimnisse, die er unbedingt hüten muss.«
James nickte stumm, während er Annora und Meggie beobachtete, die im Garten ein Hüpfspiel machten. »Wenn ich meine Unschuld beweisen könnte, würde MacKay schon allein für die Ermordung vieler guter Männer an den Galgen kommen.«
Big Marta seufzte schwer. »Aye, das war eine finstere Zeit. Möglicherweise weiß ich, wo sich die wenigen verstecken, denen die Flucht gelungen ist.«
In James’ Herz regte sich eine schwache Hoffnung, aber er hatte in letzter Zeit zu viele Enttäuschungen erlebt, um dieser Hoffnung nachzugeben. »Wo denn?«
»Bald werde ich Näheres wissen. Man muss vorsichtig sein bei solchen Sachen, ich will wahrhaftig nicht am Tod der wenigen schuld sein, die das Glück hatten, MacKays Ankunft zu überleben.«
»Nay, natürlich nicht.«
Seufzend machte sich James auf den Weg zurück in seine Werkstatt.
Doch dann bemerkte er plötzlich, dass Meggie ihn direkt ansah. Sie winkte ihm lächelnd zu. Als James die Geste erwiderte, sah er, dass Annora ihn anstarrte. Er hatte ihren Geschmack noch immer auf seinen Lippen, er spürte noch immer ihre weichen Kurven in seinen Armen, und ihre leisen Seufzer klangen noch in seinen Ohren. Seine Träume waren von Bildern erfüllt, die ihn hart werden und mit einem Verlangen aufwachen ließen.
Als Meggie Annora ansah, schenkte sie ihm nur ein hastiges Lächeln und winkte kurz, bevor sie sein Kind eilig wegführte.
Einen Moment lang dachte James tatsächlich daran, auf eines der lächelnden Angebote einzugehen, die er bereits von mehreren Mägden bekommen hatte. Sein Körper war ausgehungert nach einer Frau. Aber er merkte, dass es ihn nur nach einer ganz bestimmten Frau verlangte. Einerseits war das wohl ganz gut, denn mit einer der Maiden zu schlafen könnte sich rasch als schwerer Fehler erweisen und seine Tarnung auffliegen lassen. Andererseits war er sich nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte, dass Annora MacKay eine solche Macht über seinen Körper ausübte.
»Sie wäre eine gute Wahl, wenn Ihr hier wieder der Laird seid«, sagte Big Marta leise.
James wollte nicht zeigen, wie verlegen er war, dass sie ihn ertappt hatte, wie er Annora
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