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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Ende des Bahnsteigs, bis der letzte Waggon nicht mehr zu sehen war.
    Ihr wurde bewusst, dass sie zum ersten Mal erlebte, wie Gefühle in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurden. Sie drehte sich zueinem Mädchen um, das noch jünger als sie selbst war und hysterisch schluchzte, und nahm es in die Arme.
    »Sie kommen bestimmt zurecht«, sagte sie tröstend.
    »Warum musste er das tun?«, schluchzte das Mädchen. »Ich habe ihn angefleht, nicht wegzugehen.«
    »Sie glauben, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und wir müssen stark sein und sie für ihre Überzeugungen und ihren Mut bewundern«, erwiderte Belle.
    Als sie und all die Frauen umkehrten und langsam zurückgingen, streckte immer wieder die eine oder andere eine Hand aus, um sie tröstend auf eine Schulter oder einen Arm zu legen, kleine Gesten eines gemeinsamen Kummers und Verstehens. Es erinnerte Belle daran, wie es mit den anderen Mädchen in Marthas Freudenhaus in New Orleans gewesen war – eine stillschweigende, aber tiefe Verbundenheit, die auf ihre Art hilfreicher war als leere Worte.
    Zwei Wochen nach Jimmys Abreise saß Belle spät am Nachmittag im Laden und las erneut den ersten richtigen Brief, den sie von Jimmy bekommen hatte. Es goss in Strömen, und draußen wurde es von Minute zu Minute dunkler, ein weiterer unerwünschter Hinweis darauf, dass der Winter nicht mehr fern war. Sie stand auf und schaltete das Licht an.
    In der Vorwoche hatte sie eine Postkarte bekommen, auf der eine leicht verschwommene Ansicht des Hafens von Boulogne zu sehen war. Wahrscheinlich hatte Jimmy die Karte gleich, nachdem er an Land gegangen war, gekauft, denn er hatte sie ihr an seinem ersten Tag in Etaples geschrieben. Es waren nur ein paar Zeilen, um ihr mitzuteilen, dass er gut gelandet war und sich mit neun anderen Männern eine Unterkunft teilte. Er machte sie darauf aufmerksam, dass ihm nicht viel Zeit zum Schreiben bleiben würde, weil die Tage mit Schießübungen, Drill und körperlicher Ertüchtigung in den Dünen am Strand angefüllt sein würden.
    Die erste Woche ohne ihn hatte sich zäh dahingeschleppt; Bellevermisste seinen warmen Körper neben ihr im Bett, seine Hand auf ihrem Bauch, der plötzlich dicker geworden war, seit Jimmy in Frankreich war. Sie vermisste die abendlichen Mahlzeiten mit ihm, seine Scherze über die Gäste und den Dorfklatsch. Garth und Mog bemühten sich, ihr über den Trennungsschmerz hinwegzuhelfen. Mog stahl sich abends in ihr Schlafzimmer, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben und sie gut zuzudecken, Garth putzte ihre Schuhe und erkundigte sich nach ihrem Arbeitstag. Aber so lieb und nett sie auch waren, die Lücke, die Jimmy hinterlassen hatte, konnten sie nicht füllen.
    Sie alle spürten, was fehlte: sein Pfeifen, wenn er aus dem Keller kam, seine leichten Schritte auf der Treppe, sein ansteckendes Lachen und sein Charme. An einem Nachmittag war Mog in Tränen ausgebrochen, als sie Plätzchen aus dem Ofen nahm und zum Abkühlen auf ein Tablett stellte und Jimmy nicht da war, um hinter ihrem Rücken frech ein paar zu stibitzen. Garth hatte sich so daran gewöhnt, dass Jimmy den Löwenanteil an schwerer Arbeit übernahm, indem er Fässer und Bierkisten schleppte, dass ihm jetzt, da er alles selbst machen musste, der Rücken schmerzte und er Mühe hatte, alles zu schaffen, bevor das Wirtshaus aufsperrte.
    Endlich einen Brief von ihm zu bekommen war für alle eine Erleichterung gewesen. Es tat gut, ein wenig über die Inhalte seiner Ausbildung zu erfahren, welche Freunde er gefunden hatte und dass er halbwegs zurechtkam.
    Jimmy hatte den Brief am zweiten Abend im Trainingslager begonnen und Belle von den Männern, mit denen er in einer Baracke wohnte, der Ausbildung und sogar vom Essen berichtet. Er hatte sich mit einem Mann namens John Dixon angefreundet, der aus Woolwich stammte. Er beschrieb ihn als lustig und ein bisschen halbseiden und sagte, dass er ihn an einige der Männer in Seven Dials erinnerte.
    Dann schien er mit dem Schreiben aufgehört und den Brief am nächsten Abend nach einem langen Tag mit Schießübungen fortgesetzt zu haben.
    I ch habe total versagt, schrieb er. Immer wieder mussten wir auf das Ziel feuern und dann nachschauen, ob wir getroffen hatten. Meine Kugeln sind nicht mal in die Nähe der Zielscheibe gekommen, nicht ein einziges Mal. Der Sergeant hat mich einen »hirnlosen Karottenkopf« genannt und noch ein paar andere Ausdrücke für mich gefunden, die ich nicht wiederholen

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