Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
zu Tode gefoltert worden.
Das schien mir jedoch keine gute Antwort zu sein, und deshalb sagte ich stattdessen: »Ich denke, du brauchst einfach ein wenig Zeit, um dich zu erholen; das ist alles. Hättest du ein wenig mehr Fleisch auf den Knochen, könnten wir die Gabe nutzen, um dich zu heilen.«
    »Nein«, verbat er mir schlicht. Ich ging nicht näher darauf ein.
    »Auf jeden Fall bin ich diesen Marschproviant der Outislander satt, und wir haben ohnehin nicht mehr viel davon. Etwas frisches Fleisch würde uns gut tun. Und dieses Fleisch werde ich nicht bekommen, indem ich hier herumfaulenze. Wenn du es gekocht haben willst, sieh zu, dass das Feuer ordentlich brennt, wenn ich wieder zurückkomme.«
    »Na gut«, willigte er leise ein.
    An diesem Morgen war ich ein armseliger Jäger. Sorge um den Narren vernebelte meine Gedanken. Fast wäre ich förmlich über einen Hasen gestolpert, und trotzdem gelang es dem Tier, meinem wilden Sprung zu entkommen. Glücklicherweise gab es Fische im Bach, fett, silbern und leicht zu fangen. Vier Stück davon über der Schulter kehrte ich zurück, als die ersten Strahlen der Sonne auf den alten Platz fielen. Wir aßen sie, während die Sonne immer stärker wurde. Dann schlug ich vor, gemeinsam zum Bach zu gehen, um uns dort das Fett von Gesicht und Händen zu waschen. Anschließend war ich bereit zu schlafen, doch der Narr wirkte nachdenklich. Er saß am Feuer und stocherte darin herum. Als er zum dritten Mal seufzte, rollte ich mich auf den Rücken und fragte: »Was?«
    »Ich kann nicht wieder zurückgehen.«
    »Nun, hier bleiben kannst du auch nicht. Jetzt ist es ja recht angenehm, aber glaub mir: Der Winter wird verdammt hart.«
    »Und wieder sprichst du aus Erfahrung.«
    Ich lächelte. »Ich war ein paar Täler von hier entfernt. Aber ja, wieder spreche ich aus Erfahrung.«
    Er gab zu: »Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht, was ich tun soll. Du hast mich weitergetragen, weitergetragen an einen Ort und in eine Zeit jenseits meines Todes. Jeden Tag erschrecke ich von Neuem, wenn ich erwache. Ich habe keine Ahnung, was als Nächstes mit mir geschehen wird. Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich fühle mich wie ein losgeschnittenes Boot, das man einfach hat treiben lassen.«
    »Ist das denn so schlimm? Lass dich doch einfach eine Zeit lang treiben. Ruh dich aus und werde wieder stark. Die meisten von uns sehnen sich danach, genau das tun zu können.«
    Er seufzte erneut. »Ich weiß aber nicht, wie das geht. Ich habe mich noch nie so gefühlt, und ich kann mich nicht entscheiden, ob das gut oder schlecht ist. Ich habe keine Ahnung, was ich mit diesem Extraleben anfangen soll, das du mir geschenkt hast.«
    »Nun, vielleicht solltest du für den Rest des Sommers erst einmal hier bleiben - sobald du gelernt hast, selbst auf die Jagd zu gehen und zu fischen. Aber du kannst dich vor deinem Leben und deinen Freunden nicht für immer verstecken. Irgendwann wirst du dich beidem wieder stellen müssen.«
    Er lächelte fast. »Und das von einem Mann, der ein ganzes Jahrzehnt lang den Toten gespielt hat. Vielleicht sollte ich deinem Beispiel folgen. Vielleicht sollte ich mir eine einsame Hütte suchen und ein, zwei Jahrzehnte den Einsiedler geben, bevor ich als jemand anderes wieder zurückkehre.«
    Ich lachte leise. »Dann würde ich in zehn Jahren kommen, um dir auf die Nerven zu gehen. Natürlich wäre ich dann ein alter Mann.«
    »Und ich nicht«, sagte er leise, und er blickte mir in die Augen, als er das sagte. Sein Gesicht war ernst.
    Das war ein beunruhigender Gedanke, und ich war froh, nicht weiter darauf eingehen zu müssen. Über solche Dinge wollte ich gar nicht nachdenken. Burrichs Tod. Flink. Nessel. Harm. Irgendwann Molly, Burrichs Witwe. Ihre nun vaterlosen kleinen Söhne. Das alles waren Komplikationen, die ich nicht wollte und von denen ich nicht wusste, wie ich damit zurechtkommen sollte. Es war weitaus einfacher, gar nicht darüber nachzudenken. Also schob ich sie beiseite. Vermutlich gelang es mir besser als dem Narren, mich von der Welt abzukapseln, die mich erwartete; allerdings war ich ja auch geübt darin.
    Die nächsten zwei Tage lebten wir wie Wölfe im Jetzt. Wir hatten Fleisch und Wasser, und das Wetter blieb schön. Hasen gab es in rauen Mengen, und wir hatten noch trockenes Marschbrot in meinem Rucksack; also aßen wir gut. Die Wunden des Narren verheilten allmählich, und auch wenn er nicht lachte, so schien er sich doch ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher