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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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weitergegangen ist.
    Ich will dich nicht beschämen, aber entspricht es nicht der Wahrheit, dass Nachtauge einen weit höheren Preis für eure Verbindung, eure gemeinsame Liebe gezahlt hat als du? Was hat es Nachtauge gekostet, sich mit dir zu verschwistern? Antworte ehrlich?«
    Ich blickte weiter zur Seite, denn ich
war
beschämt. »Es hat ihn das Leben mit seinem Rudel gekostet und zur Gänze Wolf zu sein. Er hat auf seine Gefährtin und zukünftige Welpen verzichtet. So wie Rolf uns später gewarnt hat. Weil wir unserer Bindung keine Grenzen gesetzt hatten.«
    »Es hat dich erregt, sein Wolfsein mit ihm zu teilen. Du hast es genossen, so sehr Wolf zu werden, wie es einem Menschen möglich ist. Und doch ... verzeih mir ... und doch glaube ich nicht, dass du den Menschen in dir genauso leidenschaftlich gesucht hast wie er den Wolf.«
    »Nein.«
    Er nahm meine Hand in beide Hände. Er drehte sie um und blickte auf die Schatten der Fingerabdrücke, die er vor so vielen Jahren dort hinterlassen hatte. »Fitz. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich werde dir weder deine Gefährtin noch deine Welpen nehmen. Ich werde noch lange leben. Im Vergleich dazu bleibt dir nicht annähernd so viel Zeit. Ich werde dir weder Molly noch die Jahre nehmen, die euch hoffentlich noch bleiben werden. Und ich bin sicher, dass ihr wieder zusammenkommen werdet. Du weißt, was ich bin. Du warst in diesem Körper und ich in deinem. Und ich habe gefühlt... Oh, die Götter mögen mir gegen diese Erinnerungen helfen ... Ich habe gefühlt, was es heißt, ein Mensch zu sein. In den Augenblicken, da ich deine Liebe, deinen Schmerz und deinen Verlust in mir hatte, habe ich gefühlt, was es heißt, voll und ganz ein Mensch zu sein. Mit dir war ich ein Kind. Mit dir bin ich zum Mann herangereift. Mit dir... So wie Nachtauge dir gestattet hat, ein Wolf zu sein.« Seine Stimme verhallte, als wären ihm die Worte ausgegangen. Noch immer hielt er meine Hand. Die Berührung verstärkte meine Wahrnehmung des Gabenbandes zwischen uns. Pflichtgetreu meldete sich über die Gabe und suchte meine Aufmerksamkeit. Ich ignorierte ihn. Das hier war wichtiger. Ich versuchte, genau zu verstehen, was der Narr fürchtete.
    »Du glaubst, dass du mich verletzen würdest, wenn du mit mir nach Bocksburg zurückkehrst, dass es mich von dem Leben abhalten würde, das du für mich vorausgesehen hast.«
    »Ja.«
    »Du fürchtest, dass ich altere und sterben ... und du nicht.«
    »Ja.«
    »Und was, wenn mir diese Dinge egal sind? Was, wenn mich der Preis nicht kümmert?«
    »Mich würde er dennoch kümmern.«
    Mein Herz zog sich vor Schmerz zusammen, als ich ihn fragte: »Und wenn ich dir sage, dass ich stattdessen dir folgen würde? Dass ich mein altes Leben hinter mir lassen und dich begleiten würde ? «
    Ich glaube, dass diese Frage ihn verblüffte. Er atmete zweimal tief durch, bevor er mit einem heiseren Flüstern antwortete: »Ich würde es nicht zulassen. Ich
könnte
es nicht zulassen.«
    Danach schwiegen wir lange Zeit. Das Feuer brannte langsam herunter. Dann stellte ich die letzte, schreckliche Frage. »Wenn ich dich hier verlasse, werde ich dich je wiedersehen?«
    »Vermutlich nicht. Das wäre nicht klug.« Er hob meine Hand und küsste zärtlich die schwielige Haut. Das war ein Lebewohl, und ich wusste es, und ich wusste auch, dass ich nichts dagegen tun konnte. Ich rührte mich nicht. Ich fühlte mich so leer und kalt wie damals bei Nachtauges Tod. Ich verlor ihn. Der Narr zog sich aus meinem Leben zurück, und ich hatte das Gefühl, als würde ich verbluten. Langsam floss mein Leben aus mir heraus ... und plötzlich erkannte ich, wie nah dieser Vergleich der Wahrheit kam.
    »Hör auf damit!«, schrie ich, doch es war zu spät. Der Narr ließ meine Hand los, bevor ich sie zurückreißen konnte. Mein Handgelenk war rein. Seine Fingerabdrücke waren verschwunden. Irgendwie hatte er sie wieder zurückgenommen, und unser Gabenband war zerrissen.
    »Ich muss dich ziehen lassen«, flüsterte er mit gebrochener Stimme, »solange ich noch kann. Lass mir wenigstens das, Fitz. Lass mir die Genugtuung, dass ich es war, der das Band zerrissen hat... dass ich mir nicht genommen habe, was nicht mir gehört.«
    Ich tastete nach ihm. Ich konnte ihn sehen, aber nicht mehr fühlen. Keine Alte Macht, keine Gabe, kein Geruch ... kein Narr. Der Gefährte meiner Kindheit, der Freund meiner Jugend war nicht mehr. Er hatte diese Facette seines Ichs von mir abgewandt. Ein braunhäutiger

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