Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
sagte nur wenig, um nichts vor fremden Ohren zu verraten.
Mein Geist kämpfte wie ein Gespann, das im Schlamm stecken geblieben war. Er zog die alten Legenden aus den stehenden Steinen. Liebende flohen vor wütenden Eltern in sie hinein und kehrten ein Jahr oder ein Jahrzehnt später wieder zurück, als aller Streit vergessen war. Es gab auch Tore zum Land der Feen, wo ein Jahr in einem Tag vergehen konnte oder ein Tag ein Jahr war. Verschwommen erinnerte ich mich an meine Zeit in der sternenübersäten Schwärze. Wie viel Zeit war vergangen? Ein paar Wochen? Chade hatte von einem Monat gesprochen. Offensichtlich war jedoch genügend Zeit vergangen, dass sie von den Äußeren Inseln hatten zurückkehren können, denn sie waren hier. Ich lächelte schwach ob dieser > raschen < Schlussfolgerung.
Als wir die Burg erreichten, führte Chade die Wachen mit den Schriftrollen fort. Der Prinz nahm meine Hand und dankte mir für gut geleistete Arbeit, als wäre ich ein einfacher Gardist, der einen schwierigen und riskanten Auftrag erledigt hatte. Über seine Hand sandte er mir auch eine Botschaft mittels der Gabe. Ich konnte ihn kaum hören.
Ich werde bald zu dir kommen. Ruh dich jetzt erst einmal aus.
Nessel und Dick folgten ihm, als er wegging, und mir half man ins Hospital, wo ich recht zufrieden damit war, einfach nur dazuliegen und nichts zu denken. Ich glaube, dass anschließend mehrere Tage vergingen. Es fiel mir schwer, bei solchen Dingen wie Zeit den Überblick zu behalten. Die Kopfschmerzen und die Benommenheit verschwanden, aber die Vagheit blieb. Ich war irgendwo gewesen und hatte etwas Gigantisches erfahren, aber ich fand noch nicht einmal Worte dafür, es mir selbst zu erklären. Es war ein so großes und fremdartiges Ereignis gewesen, dass es allen Sinn und alle Ordnung in Frage stellte, die ich dem Rest meines Lebens geben würde. Kleine Dinge beanspruchten meine Aufmerksamkeit: der Tanz der Motten in einem Sonnenstrahl, die verdrehte Wolle, die meine Decke formte, die Holzmaserung des Bettgestells. Es war nicht so, als hätte ich die Gabe nicht benutzen können; es war mehr, als sähe ich keinen Sinn darin.
Sie versorgten mich gut und ließen mich ausruhen. Besucher kamen und gingen, hinterließen aber kaum einen Eindruck bei mir. Einmal öffnete ich die Augen und sah Litzel streng und missbilligend auf mich hinunterblicken. Ich schloss die Augen wieder. Der Heiler konnte nichts für mich tun, und oft bemerkte er laut in meiner Nähe, dass er mich schlicht für einen Faulpelz hielt. Sie brachten eine sehr alte Frau zu mir. Nachdem sie mir in die Augen geschaut hatte, nickte sie. »0 ja, er hat diesen Feenblick. Die Feen haben ihn sich unter die Erde geholt und sich von ihm genährt. Es ist weithin bekannt, dass es dort oben bei den Zeugensteinen einen Eingang zu ihrem Reich gibt. Manchmal holen sie sich ein Lamm oder ein Kind und bisweilen auch einen kräftigen Mann, wenn er getrunken hat und dort oben herumlungert.« Sie nickte weise und riet: »Gebt ihm Pfefferminztee und kocht ihm Fleisch mit Knoblauch, bis er danach stinkt. Das können sie nicht ertragen und werden ihn bald loslassen. Wenn seine Fingernägel genug gewachsen sind, dass sie geschnitten werden müssen, und er sie schneidet, wird ihn das befreien.«
Und so fütterten sie mich mit in Knoblauch getauchtem Lammfleisch und Pfefferminztee. Schließlich verkündeten sie, ich sei geheilt, und warfen mich aus dem Hospital. Sieber wartete auf mich. Ich sähe wie ein Mondkalb aus, sagte er. Er brachte mich ins Dampfbad, wo es von viel zu lauten Gardisten nur so wimmelte, und nachdem ich mich ordentlich geschrubbt hatte, führte er mich tatsächlich an einen Tisch in der Messe und überzeugte mich mühelos davon, Bier auf Bier mit ihm zu trinken, bis ich hinauswanken und mich übergeben musste. Allein der Lärm der Gespräche und das Lachen vermittelten mir auf seltsame Art das Gefühl, allein zu sein. Ein junger Gardist fragte mich sechsmal, wo ich gewesen sei, und schließlich sagte ich schlicht: »Ich habe mich auf dem Rückweg verirrt«, und damit galt ich für eine Stunde als klügster Kopf am Tisch. Falls er gehofft hatte, mir meine Geschichte zu entlocken, so hatte er versagt. Doch seltsamerweise fühlte ich mich besser, so als hätten die Misshandlungen meinen Körper davon überzeugt, dass ich menschlich war und dementsprechend Zugeständnisse machen musste. Am nächsten Tag wachte ich stinkend und verschwitzt in der Kaserne auf, und so
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