Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
einem hohen Stuhl, von wo das sie das Fest überblicken konnte. Sie wirkte müde, aber erfreut. Chade war nicht an ihrer Seite, und das kam mir komisch vor, bis ich auch ihn mit einer rothaarigen Frau tanzen sah, die weniger als halb so alt war wie er.
Einen nach dem anderen fand ich die wichtigsten Menschen, die mein Leben gewoben hatten. Merle, die jetzige Lady Fischer, saß auf einem Polsterstuhl. Ihr Mann stand besorgt nicht weit entfernt und holte ihr immer wieder Essen und Trinken, als könne man Dienern eine solch wichtige Aufgabe nicht anvertrauen. Schließlich kam Prinzessin Philia mit Litzel am Arm herein. Sie trug mehr Spitze als alle anderen Frauen zusammen. Die beiden Frauen fanden Platz auf einer Bank nahe der Bühne eines Puppenspielers, und dort tuschelten sie dann miteinander wie zwei kleine Mädchen. Ich entdeckte auch Lady Rosmarin, die mit zwei Kaempra der Outislander sprach. Ich war sicher, dass ihr charmantes Lächeln und ihr üppiger Busen ihr viele Informationen einbrachten, über die Chade morgen nachdenken konnte.
Arkon Blutklinge war ebenfalls dort. Er trug einen mit rotem Fuchspelz abgesetzten Mantel und diskutierte ernst mit der Herzogin von Bearns. Sie schien ihm höflich zu lauschen, doch ich fragte mich, ob ein noch so gutes Handelsabkommen ausreichte, um ihr Herz den Outislandern zu öffnen. Ich sah auch noch drei andere an den Tischen, die ich aus dem Hetgurd wieder erkannte, und mehrere andere folgten verwirrt dem Puppenspiel. Dann wanderte mein Blick wieder zu Nessel, die allein durch die Feiernden ging. Ein stämmiger junger Mann näherte sich ihr. Aus seinen kurz geschorenen Locken schloss ich, dass es sich dabei um Chivalric handeln musste, Burrichs ältesten Sohn. Inmitten all des Lärms und des Lachens redeten sie miteinander. Während ich sie noch beobachtete, näherte sich ihnen eine Frau in einem einfachen dunkelblauen Kleid, einen sich wehrenden kleinen Jungen an der Hand. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich Mollys geschorenen Kopf sah, und ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass Burrich nie gutgeheißen hätte, was sie mit ihren Zöpfen gemacht hatte. Ihre kurz geschorenen Haare ließen sie jedoch seltsam jung aussehen. Sie packte Herd an der Hand und deutete auf einen anderen kleinen Jungen, wobei sie Chivalric offenbar inständig bat, die Kleinen für die Nacht einzusammeln. Stattdessen nahm Nessel ihren jüngsten Bruder jedoch in die Arme und wirbelte mit ihm über die Tanzfläche, wo sein freudiges Quieken mehr als nur ein Paar lächeln ließ. Chivalric hob die Hand, um Molly zu beschwichtigen, und nickte, als sie etwas zu ihm sagte. Dann begannen genau vor mir ein paar Akrobaten mit ihrer Darbietung und versperrten mir die Sicht. Als sie fertig waren, konnte ich Molly nicht mehr sehen.
Ich lehnte mich in der Dunkelheit zurück. An meinem Ellbogen fragte Gilly:
Würste?
Ich tastete im Korb herum und fand nur noch armselige Fleischfetzen. Bei dem Versuch, sie zu »erlegen«, hatte Gilly die Würste alle zerfetzt. Ich fand ein etwas größeres Stück, bot es ihm an, und er schnappte es sich glücklich aus meinen Fingern.
Und so verging mein Abend. Auf dem Tanzboden sah ich jene, die mir am liebsten waren, sich im Takt der Musik bewegen, die kaum durch die dicken Wände meines Verstecks drang. Kurz lehnte ich mich von dem Guckloch zurück, um meinen Rücken zu entspannen. Ein winziger Lichtstrahl drang durch den Spalt zu mir herein. Ich versuchte, ihn zu fangen, und starrte ihn eine Zeit lang an. Das war wie eine Metapher für mein Leben, dachte ich. Dann schob ich mein Selbstmitleid beiseite und beugte mich wieder vor.
Dick löste sich gerade von einem Tisch mit einer ganzen Reihe kleiner Kuchen in den Händen. Seine Musik war laut und fröhlich, und er bewegte ich dazu in einem vollkommen anderen Takt als dem, den die anderen hörten. Aber immerhin war er dort draußen, dachte ich bei mir. Ich verspürte das Verlangen, alle Vorsicht in den Wind zu schießen und mich zu ihm zu gesellen. Doch dieses Verlangen ebbte genauso schnell wieder ab, wie es aufgekommen war. Nein.
Mollys Kinder hatten einen Gaukler gefunden, der ihnen gefiel. Sie standen im Halbkreis und schauten ihm zu. Nessel hielt Herds und Standfests Hand, und Recht war in Chivalrics Armen, während Behende und Flink beisammenstanden. Ich bemerkte Web hinter ihnen, ein Stück entfernt, aber präsent. Mein Blick wanderte über die Menge, suchte, fand aber nicht. Ich stand auf. Ich überließ
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