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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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meinen Korb und das Kissen dem Frettchen und ging durch die schmalen Gänge.
    Ich wusste, dass es im Violetten Gemach ein Guckloch gab. Ich mied es. Stattdessen verließ ich das geheime Labyrinth, verbrachte ein wenig Zeit in einem Wandschrank, um mir den Staub und die Spinnweben von der Kleidung zu klopfen, und lief dann mit gesenktem Kopf durch die Gänge der Burg. Niemand bemerkte mich, niemand rief meinen Namen und niemand hielt mich an, um mich zu fragen. Ich hätte genauso gut unsichtbar sein können. Als ich die Treppe hinaufstieg, wurden die Menschen weniger, und als ich schließlich die Wohnquartiere erreichte, waren die Gänge leer. Alle waren unten beim Fest - alle außer mir und vielleicht Molly.
    Dreimal ging ich an der Tür zum Violetten Gemach vorbei. Beim vierten Mal befahl ich mir selbst zu klopfen, und das tat ich auch, allerdings weit kräftiger, als ich beabsichtigt hatte. Mein Herz pochte, und ich zitterte am ganzen Leib. Es herrschte Stille. Dann, als ich schon glaubte, all mein Mut sei umsonst gewesen und dass niemand mir antworten würde, hörte ich Molly leise fragen: »Wer ist da?«
    »Ich bin es«, antwortete ich dümmlich. Und dann, als ich noch überlegte, welchen Namen ich ihr nennen sollte, machte sie mir ohne Umschweife klar, dass sie wusste, wer da war.
    »Geh weg.«
    »Bitte.«
    »Geh weg!«
    »Bitte.«
    »Nein.«
    »Ich habe Burrich versprochen, mich um dich und die Kleinen zu kümmern. Ich habe es ihm versprochen.«
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ich sah eines ihrer Augen. »Komisch. Das Gleiche hat er mir auch gesagt, als er anfing, Geschenke an meine Tür zu bringen. Dass er dir vor deinem Tod versprochen hätte, dass er sich um mich kümmern würde.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, und die Tür schloss sich wieder. Rasch schob ich meinen Fuß hinein. »Bitte. Lass mich rein. Nur für einen Moment.«
    »Nimm den Fuß weg, oder ich werde ihn dir brechen.« Sie meinte es ernst.
    Ich beschloss, das Risiko einzugehen. »Bitte, Molly, bitte. Bekomme ich nach all diesen Jahren nicht wenigstens die Gelegenheit, mich zu erklären? Nur dieses eine Mal?«
    »Die Zeit für Erklärungen war vor sechzehn Jahren, als es noch einen Unterschied gemacht hätte.«
    »Bitte. Lass mich rein.«
    Plötzlich riss sie die Tür auf. Ihre Augen brannten wie Feuer, und sie sagte: »Ich will nur eines von dir wissen. Erzähl mir von den letzten Stunden meines Mannes.«
    »Wie du willst«, erwiderte ich leise. »Ich nehme an, das zumindest schulde ich dir.«
    »Ja.« Sie trat zur Seite und hielt die Tür gerade weit genug auf, dass ich mich hindurchquetschen konnte. »Das schuldest du mir. Und noch eine ganze Menge mehr.«
    Sie trug ein Nachtgewand und darüber einen Morgenrock. Ihr Körper war voller, als ich ihn in Erinnerung hatte, mehr der einer Frau, denn der eines Mädchens. Das war nicht unattraktiv. Der Raum roch nach ihr, nicht nur nach dem Parfüm, das sie aufgelegt hatte, sondern auch nach ihrer Haut, nach Bienenwachs und Kerzen. Ihr Kleid lag ordentlich gefaltet auf einer Truhe am Fuß des Bettes. Ein Rollbett neben ihrem verriet, dass ihre Söhne hier mit ihr schlafen würden. Ihre Bürste und ihr Kamm lagen auf einem Tisch, doch angesichts ihrer kurzen Haare war das wohl mehr aus Gewohnheit, als dass sie sie wirklich gebraucht hätte.
    Die ersten dummen Worte aus meinem Mund lauteten: »Er hätte nicht gewollt, dass du dir die Haare abschneidest.«
    Selbstbewusst hob sie die Hand an den Kopf. »Was weißt du schon davon?«, verlangte sie entrüstet zu wissen.
    »Als er dich das erste Mal gesehen hat, lange bevor er dich mir genommen hat, hat er etwas über dein Haar gesagt: >Ein wenig Rot ist darin<, das hat er gesagt.«
    »So hätte er sich wohl ausgedrückt«, sagte sie, und dann: »Er hat mich dir nie >genommen<. Wir haben dich für tot gehalten. Du hast uns glauben lassen, du seist gestorben, und ich habe erfahren müssen, was Verzweiflung wirklich bedeutet. Ich hatte nichts außer einem Kind, das vollkommen von mir abhängig war. Ich habe
ihn
genommen. Weil ich ihn geliebt habe. Weil er mich und Nessel gut behandelt hat.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich bin froh, dass du das weißt. Setz dich da hin und erzähl mir, wie er gestorben ist.«
    So setzte ich mich auf einen Stuhl, und sie hockte sich auf die Kleidertruhe, und ich erzählte ihr von Chades letzten Tagen. Ich hasste es, mit ihr darüber zu reden, und doch empfand ich auch eine ungeheure Erleichterung,

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