Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Geheimnisse. Hättet ihr die euren nicht so stur gehütet, hätten wir von Anfang an gemeinsam handeln können, nicht gegen den Drachen, sondern gegen die Bleiche Frau. Hättet ihr doch nur mit mir gesprochen...«
Die Narcheska brach plötzlich zusammen. Sie fiel auf die Seite, stöhnte und zitterte.
Schwarzwasser kniete sich neben sie. »Wir konnten nicht!«, rief er verbittert. »Ihr könnt Euch noch nicht einmal vorstellen, welchen Preis es die Kleine gekostet hat, heute Nacht so offen zu Euch zu sprechen. Ihre Lippen waren versiegelt, und auch meine.« Unvermittelt blickte er zu Burrich. »Alter Soldat, wenn du noch ein Fünkchen Gnade in dir hast, dann geh und hol mir etwas Schnee.«
»Ich werde gehen«, sagte ich, nicht wissend, wie viel Burrich sehen konnte oder auch nicht. Doch er war bereits aufgestanden, hatte sich den leeren Kochtopf genommen und schritt aus dem Zelt. Schwarzwasser rollte Elliania auf den Bauch und zog ihre Tunika hoch. Der Prinz schnappte ob des Anblicks nach Luft, und ich wandte mich angewidert ab. Die Drachen-und Schlangentätowierungen auf ihrem Rücken hatten sich entzundet. Aus einigen sickerte Blut, andere waren geschwollen und nass wie frische Verbrennungen. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte Peottre: »Eines Tages ist sie mit Henja, ihrer vertrauten Dienerin, auf einen Spaziergang gegangen.
Zwei Tage später hat Henja sie zu uns geschleppt mit diesen Zeichen auf dem Rücken und dem grausamen Vorschlag der Bleichen Frau im Gepäck. Henja hat es uns erzählt, denn Elliania kann nicht darüber sprechen, was ihr widerfahren ist, ohne dass die Drachen auf ihrem Rücken sie bestrafen. Allein die Erwähnung der Bleichen Frau reicht dafür schon aus.«
Burrich kehrte mit dem Kessel voll Schnee zurück. Er stellte ihn neben die am Boden liegende junge Frau, starrte sie entsetzt an und versuchte zu erkennen, was genau er da sah. »Eine Hautentzundung?«, fragte er zögernd.
»Eine Vergiftung der Seele«, erwiderte Peottre bitter. Er nahm eine Hand voll Schnee und verteilte ihn auf Ellianias Rücken. Sie zuckte leicht, und ihre Augenlider flatterten. Ich glaubte, dass sie fast wieder das Bewusstsein erlangt hatte, doch sie gab keinen Laut von sich.
»Ich spreche euch von allen Abmachungen los, die wir getroffen haben«, sagte Pflichtgetreu ruhig.
Peottre blickte ihn betroffen an, doch der Prinz sprach unbeirrt weiter.
»Ich werde sie nicht zwingen, sich an Versprechen zu halten, die sie mir nur unter Druck gegeben hat. Aber ich werde trotzdem euren Drachen töten. Heute Nacht. Und wenn wir einen sauberen Tod für unsere Leute gewonnen haben, wenn niemand mehr in Gefahr schwebt außer mir selbst, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um dem Übel der Bleichen Frau ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.« Er atmete tief durch und sagte dann, als fürchte er Spott: »Und sollten wir überleben, werde ich vor Elliania treten und sie fragen, ob sie mich haben will.«
Elliania sprach. Ihre Stimme war schwach, und sie hob nicht den Kopf. »Das will ich. Aus freien Stücken.« Letzteres fügte sie in kräftigerem Ton hinzu. Ich glaube nicht, dass Peottre und Chade damit einverstanden waren, aber sie hielten den Mund. Elliania schob den Schnee aus Peottres Hand.
Sie ergriff sie und setzte sich auf. Sie hatte noch immer Schmerzen und sah aus, als hätte sie eine tödliche Verwundung erlitten.
Chade blickte zu mir.
»Dann werden wir handeln. Heute Nacht.« Er schaute uns der Reihe nach an und schlug dann alle Vorsicht in den Wind. »Wir dürfen nicht warten, denn wer weiß schon, wie schnell ein Drache fliegen kann? Wenn wir zusammen und rasch handeln, haben wir die Tat vielleicht getan, bevor Tintaglia hier eintrifft.« Plötzlich zeigte sich tatsächlich so etwas wie Röte auf dem Gesicht des alten Mannes. Er konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, als er verkundete: »Es ist wahr. Ich habe ein Pulver erschaffen, das über die Kraft des Blitzes verfügt. Etwas davon habe ich mitgebracht, allerdings nicht so viel, wie ich gehofft habe, für diese Aufgabe aufwenden zu können. Ein Großteil meiner Vorräte ist am Strand zurückgeblieben; aber vielleicht genügt auch das, was ich hier habe. Wenn man es in einem versiegelten Behältnis ins Feuer wirft, explodiert es mit ungeheurer Wucht, wie ein Blitzschlag. Wenn wir es in den Tunnel bringen und zunden, wird es ohne Zweifel viel Eis wegsprengen. Tatsächlich könnte es den Drachen sogar töten. Und auch falls nicht,
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