Die Abenteuer des Röde Orm
sie selber seien ja nicht auf See gegangen, um eitel Ehre zu gewinnen, sondern um Beute zu machen. Darum habe er es für richtiger gehalten, zunächst an das zu denken, was ihnen allen zum Besten gereiche, statt an sein eigenes Ansehen; und nach einigem Nachdenken würden sie alle zugeben, daß er hier so gehandelt habe, wie es sich für einen Häuptling gehöre.
Während Krok also bemüht war, den Mißmut seiner Leute zu zerstreuen, fühlte er sich selbst durch seine Worte gekräftigt, und er fuhr damit fort, ihnen von der Rückreise abzuraten. Denn die Leute daheim in Lister, sagte er, seien ein spitzzüngiges Geschlecht; und besonders das Wiedersehen mit den Frauen werde seine Unzuträglichkeiten haben. Denn die würden viel nach dem fragen, was sie ausgerichtet und was sie erbeutet hätten, und würden den Grund ihrer schnellen Heimkehr wissen wollen. Solchem Geplapper könne ein Mann, der auf sein Ansehen halte, sich nicht gut aussetzen, und die Heimreise müsse daher noch anstehen, bis man etwas gewonnen habe, womit man sich sehen lassen könne. Einstweilen gelte es für sie, zusammenzuhalten und Ausdauer zu zeigen und ein gutes Ziel für weitere Fahrten zu finden; und bevor er selbst noch mehr sage, wolle er gern die Ansicht verständiger Männer in dieser Sache hören. Einer schlug vor, zum Lande der Kuren und Liven zu fahren, wo es lohnende Beute gebe; aber das fand keinen Anklang, denn solche, die besser Bescheid wußten, sagten, daß große Scharen aus Svealand jeden Sommer in diesen Ländern plünderten und wohl nur ungern andere in gleichen Geschäften dort sähen. Ein zweiter hatte gehört, daß es nirgend auf der Welt so viel Silber gebe wie auf Gotland, und meinte, man solle es dort versuchen; aber andere, die es noch besser wußten, sagten, daß die Gotländer nun, da sie reich geworden seien, in starkbefestigten Dörfern wohnten, und die könnten nur mit großer Heeresmacht genommen werden. Darauf nahm ein dritter das Wort, ein Mann namens Berse, der bedächtig sprach und seiner Klugheit wegen allgemein geachtet war. Er sagte, es fange nun an, in der Ostsee eng und kärglich zu werden: denn gar zu viele seien auf Plünderungszügen begriffen, und das habe sogar die Wenden gelehrt, sich zur Wehr zu setzen. Da man nicht nach Hause fahren könne – denn hierin denke er ebenso wie Krok –, sei zu erwägen, ob man nicht westwärts segeln solle. Er selbst sei noch nie dort gewesen, aber Leute aus Schonen, mit denen er im vorigen Sommer auf einem Markt geredet habe, seien mit Toke Gormsson und dem Jarl Sigvalde in England und Bretland gewesen und hätten viel zum Lobe dieser Fahrten zu sagen gehabt. Sie hätten mit Goldringen und kostbaren Kleidern geprunkt, und die Wikinger, die – um im Innern des Landes zu plündern – sich des längeren an den Flußmündungen Frankreichs aufhielten, hätten oft Bürgermeister und Äbte zu Sklaven und Grafentöchter sich zur Lust im Bette gehabt. Allerdings könne er nicht wissen, ob seine Gewährsmänner aus Schonen sich mit diesen Behauptungen streng an die Wahrheit gehalten hätten, und mit Hinsicht auf die Zuverlässigkeit der Schonländer im allgemeinen sei es vielleicht klug, die Hälfte abzustreichen. Sicher sei doch dies, daß jene Heimgekehrten den Eindruck größter Wohlhabenheit gemacht und sogar ihn, einen Fremden aus Blekinge, zu einer großen Menge Starkbier eingeladen hätten, ohne nachher, als er eingeschlafen war, seine Sachen zu stehlen. Alles könne daher nicht gelogen sein, was man ja auch von anderer Seite her recht gut wisse. Wo es Leuten aus Schonen so gut ergehe, würden wohl auch Blekinger gedeihen können, und darum, schloß Berse, wolle er es gern mit einer Fahrt gen Westen versuchen, wenn die meisten so dächten wie er.
Viele riefen ihm Beifall zu, aber andere sagten, daß die Eßvorräte kaum reichen dürften, bis sie zu den fetten Ländern im Westen gelangt seien.
Da nahm Krok wieder das Wort und sagte, Berse sei gerade mit dem Vorschlag gekommen, den er selbst habe machen wollen. Dem, was Berse von Grafentöchtern und reichen Äbten gesagt habe, wolle er noch etwas hinzufügen, was unter bereisten Männern allgemein bekannt sei, nämlich, daß es auf Irland nicht weniger als hundertsechzig größere und kleinere Könige gebe, von denen jeder Schätze und schöne Frauen besitze und deren Krieger im Kampf bloß Leinenkleider trügen, so daß es also nicht schwer sein könne, mit ihnen zurechtzukommen. Die einzige Schwierigkeit sei,
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