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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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geglaubt, sich in seinem Leben noch einmal solchen Strapazen aussetzen zu müssen. Der stete Regen peitschte in ihre Gesichter, nahm ihnen die Sicht und den letzten Rest von Heldentum, zu dem sich die alten Ritter müde und widerwillig angespornt hatten.
    Gillian wußte genau, wie es um seine Begleiter stand. Bernardo ausgenommen, war der einstige Tatendrang dieser Männer von Alter und Bequemlichkeit zunichte gemacht worden. Das grauenvolle Wetter und die beschwerlichen Umstände ihres Vorhabens waren nur die Endpunkte einer Kette von Trübsal und desillusionierenden Befürchtungen.
    An der schloßabgewandten Seite der Friedhofsinsel zogen sie die beiden Boote zwischen die Felsen. Sie vertäuten sie, so gut es nur ging, und Lascari sprach ein Gebet, damit keine Schäden durch die harte Brandung entstanden.
    Gebückt huschten die neun Männer über den Felsenkranz, der das Innere der Insel wie ein Kraterrand umgab. Regen und Dunkelheit verwehrten die Sicht auf das Gräberfeld und die überdachte Familiengruft in seinem Zentrum. Ein paar Einheimische hatten Bernardo von dem unterirdischen Gang zum Schloß erzählt. Die Ritter wußten nicht, ob auch Morgantus den Tunnel kannte, doch im Zweifelsfall zogen sie es vor, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Entsprechend vorsichtig näherten sie sich der Gruft.
    Alle neun, auch Gillian, trugen ihre weißen Templerhemden, darunter Hosen aus festem Leder. Gegen den Regen und als Tarnung im Dunkeln hatten sie ihre schwarzen Umhänge fest um die Oberkörper gezurrt. Gillian fand, daß vor allem die Hose seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Er trug sie nur wegen der Lederschichten an Schenkeln und Schienbeinen, die Schutz vor Messerklingen und Streifschüssen boten. Auch unter den Hemden trugen die Ordensbrüder drahtdurchwirkte Lederpanzer. An jedem Gürtel hing ein leichtes Schwert, und alle verfügten über stahlverstärkte Halskrausen. Einige der Älteren hatten unter den weiten Kapuzen sogar halboffene Helme aufgesetzt. Mit Ausnahme Lascaris, der moderne Waffen strikt ablehnte, besaß jeder von ihnen einen Revolver, die meisten hielten ihn feuerbereit in der Hand.
    Gillian und Lascari führten den Zug an, hinter ihnen ging Bernardo. Schweigend kletterten sie zwischen Felsen und Grabsteinen in den Talkessel hinab und erreichten endlich die Gruft. Die Tür war irgendwann eingetreten worden; man hatte sie nur halbherzig mit einigen Brettern ausgebessert. Bernardo drängte sich zwischen Gillian und dem Großmeister hindurch und warf sich mit seiner breiten Schulter kraftvoll gegen das Holz. Beim zweiten Versuch gaben die Bretter nach.
    Eilig strömten die neun Männer in den kreisrunden Innenraum. Aufatmend schlugen sie ihre Kapuzen zurück, wischten sich Regenwasser und Schweiß aus den Augen. Gillian entzündete eine Fackel, ersparte sich aber einen Blick in die mißmutigen, vorwurfsvollen Gesichter der anderen. Statt dessen sah er zu, wie Bernardo voller Tatendrang daranging, die Falltür in der Mitte der Gruft aufzuhebeln. Von unten war offenbar ein Vorhängeschloß angebracht worden, doch es vermochte dem kräftigen Templer nur zwei, drei Minuten lang standzuhalten. Bald darauf stiegen sie der Reihe nach hinab in die Tiefe.
    Es gab einige Laute der Abscheu, als die Templer die vermoderten Leichen entdeckten, die aus der Decke des Tunnels ragten. Gillian ließ sich nicht davon beeindrucken und suchte zielstrebig einen Weg durch das Gewirr. Lascari und Bernardo waren abermals die ersten, die ihm folgten, dann erst setzte sich der Rest in Bewegung. Einer der Ritter trug unter seinem Umhang eine altmodische Armbrust. Gillian rief den Mann an die Spitze des Zuges und bat ihn, einen Bolzen voraus in die Finsternis zu schießen. Sie hörten in der Ferne den scheppernden Aufprall, jedoch kein weiteres Geräusch. Der Tunnel war leer.
    Einige Minuten darauf fiel der flackernde Schein von Gillians Pechfackel auf grobgemeißelte Stufen. Sie führten in eine kleine Kapelle. Gillian ließ seinen Revolver im Gürtel stecken – er hatte Schußwaffen nie geschätzt, wenn er auch keine Stilfrage daraus machte wie Lascari – und zog ein langes Stilett hervor. Damals, als er noch Mörder im Auftrag Lysanders gewesen war, hatte er Waffen jeglicher Art abgelehnt und meist nur die bloßen Hände benutzt. Hier aber, angesichts einer Übermacht, war eine Bewaffnung unverzichtbar.
    Einige der Templer schlugen im Angesicht des Altars hastige Kreuzzeichen. Gillian streckte die flache Hand aus und legte

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