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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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geholt hatte, verließ er, ohne zu frühstücken, das Hotel.
    Im Südbahnhof rasierte er sich in der Toilettenanlage mit einem elektrischen Rasierapparat. Er duschte in einer der Duschkabinen. Beim Anziehen las er in der Zeitung den Sportteil und die Gerichtsberichte. Nach einiger Zeit, noch während er las – in den Kabinen ringsum war es ziemlich ruhig –, fühlte er sich plötzlich wohl. Er lehnte sich, schon fertig angezogen, an die Wand der Kabine und stieß mit dem Schuh gegen die Holzbank. Das Geräusch bewirkte eine Frage der Kabinenfrau draußen und darauf, als er nicht antwortete, ein Klopfen an die Tür. Als Bloch wieder nicht antwortete, schlug die Frau draußen mit einem Handtuch (oder was es sein mochte) auf die Türklinke und entfernte sich. Bloch las im Stehen die Zeitung zu Ende.
    Auf dem Bahnhofvorplatz traf er einen Bekannten, der als Schiedsrichter zu einem Unterklassenmatch in einen Vorort fahren wollte. Bloch faßte diese Auskunft als einen Witz auf und spielte mit, indem er meinte, dann könnte er ja gleich als Linienrichter mitfahren. Selbst als der Bekannte darauf seinen Seesack aufschnürte und ihm darin einen Schiedsrichterdreß und ein Netz mit Zitronen zeigte, hielt Bloch, wie früher den ersten Satz des andern, nun auch diese Gegenstände für eine Art von Scherzartikel und erklärte sich, indem er weiter auf den Bekannten einging, bereit, ihm, wenn er schon mitfahre, auch gleich den Seesack zu tragen. Sogar dann, mit dem andern im Vorortzug, den Seesack auf den Knien, schien es ihm, als ob er, zumal das Abteil jetzt um die Mittagszeit fast unbesetzt war, auf das alles immer noch nurzum Spaß eingehe. Was freilich das leere Abteil mit seinem unernsten Benehmen zu tun haben sollte, darüber konnte Bloch sich nicht klarwerden. Daß der Bekannte mit einem Seesack in den Vorort fuhr und daß er, Bloch, mitfuhr, daß sie miteinander in einem Vorstadtwirtshaus zu Mittag aßen und miteinander, wie Bloch sagte, »zu einem leibhaftigen Fußballplatz« gingen, das kam ihm auch dann, als er allein zurück in die Stadt fuhr – das Spiel hatte ihm nicht gefallen – als eine beiderseitige Verstellung vor. Das alles hatte nicht gegolten, dachte Bloch. Auf dem Bahnhofvorplatz traf er zum Glück niemanden.
    Von einer Telefonzelle an einem Parkrand rief er seine frühere Frau an; sie sagte, daß alles in Ordnung sei, fragte ihn aber nichts. Bloch war unruhig.
    Er setzte sich in ein Gartencafé, das trotz der Jahreszeit noch geöffnet hatte, und bestellte ein Bier. Als nach einiger Zeit noch immer niemand mit dem Bier gekommen war, ging er weg; auch die Stahltischplatte, auf der kein Tischtuch lag, hatte ihn geblendet. Er stellte sich ans Fenster einer Gaststätte; die Leute drinnen saßen vor einem Fernseher. Er schaute eine Zeitlang zu. Jemand drehte sich nach ihm um, und er ging weiter.
    Im Prater geriet er in eine Schlägerei. Ein Bursche zog ihm von hinten schnell die Jacke überdie Arme, der andre stieß ihm den Kopf unters Kinn. Bloch ging ein wenig in die Knie, versetzte dann dem Burschen vorn einen Tritt. Schließlich drängten ihn die beiden hinter einen Süßwarenstand und schlugen ihn nieder. Er fiel um, und sie gingen weg. In einer Toilette säuberte sich Bloch das Gesicht und den Anzug.
    In einem Café im zweiten Bezirk spielte er Billard, bis im Fernsehen die Sportnachrichten kamen. Bloch bat die Kellnerin, den Fernsehapparat einzuschalten, schaute aber dann zu, als ob ihn das alles nichts anginge. Er lud die Kellnerin ein, mit ihm was zu trinken. Als die Kellnerin aus dem Hinterzimmer, wo ein verbotenes Spiel im Gang war, zurückkam, stand Bloch schon an der Tür; sie ging an ihm vorbei, sagte aber nichts; Bloch ging hinaus.
    Zurück am Naschmarkt, beim Anblick der unordentlich gestapelten leeren Obst- und Gemüsekisten hinter den Ständen, kam es ihm wieder vor, als ob die Kisten eine Art von Spaß seien, nicht ernst gemeint. Wie Witze ohne Worte! dachte Bloch, der gern Witze ohne Worte anschaute. Dieser Eindruck von Verstellung und Getue – ›dieses Getue mit der Schiedsrichterpfeife im Seesack!‹ dachte Bloch – verschwand erst, als er drinnen im Kino, wo ein Komiker im Vorbeigehen wie zufällig eine Trompete von einem Trödlerladen nahm und darauf ganz selbstverständlich zu blasen probierte, diese Trompete und dann auch alle anderen Sachen unverstellt und unzweideutig wiedererkannte. Bloch wurde ruhig.
    Nach dem Film wartete er zwischen den Ständen am Naschmarkt auf die

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