Die Angst spielt mit
gepfefferten Brief an den Vorstand von ‘Gefährdete Jugend’ geschrieben und angedroht, alle Zuwendungen an die Organisation zu streichen, wenn das Stück aufgeführt wird.”
“Der Vorstand hat sich noch nicht bei Mildred Mead gemeldet. Ich vermute, sie lassen sich nicht erpressen …”
Ein Schluchzer kam über Jeannes Lippen.
“Ich wollte Ihren Vater nicht einen Erpresser nennen, Jeanne.” Er sah sich sehnsüchtig nach Maggie um. Was hielt sie so lange auf, zum Teufel? Er verpatzte dieses Gespräch.
Jeanne ergriff seine Hand. “Ach, das ist es nicht, Kevin. Es ist nichts, was Sie gesagt haben. Es ist … was ich getan habe.”
Kevin starrte sie an. “Was haben Sie … getan?”
Ihr Griff an seiner Hand verstärkte sich, und auch sie sah sich nach Maggie um. Doch anders als Kevin achtete sie darauf, dass Maggie nicht zu sehen war.
“Oh bitte, sagen Sie es keiner Menschenseele, Kevin! Wenn Vater es herausfindet … Ich weiß nicht, was mich gepackt hat. So etwas habe ich noch nie zuvor getan. Mein Vater besitzt einen so starken Willen. Ich habe mich in meinem Leben nie gegen ihn gestellt. Nicht dass ich es mir nicht gewünscht hätte … aber ich kann es nicht. Zumindest dachte ich, ich könnte es nicht …” Sie hob ihre zitternde Hand. “Sie müssen mir verzeihen.”
“Was haben Sie getan, Jeanne?”
Sie wirkte von seiner direkten Frage ermuntert. “Ich hätte für ihn den Brief zur Post bringen sollen. Vater verlässt das Haus nicht mehr oft. Aber ich habe den Brief nicht aufgegeben.” Sie bemühte sich sichtlich, nicht wieder in Tränen auszubrechen. “Ich … ich habe den Brief zerrissen.”
Kevin hatte das Gefühl, dass die arme, eingeschüchterte Frau letztlich zusammenbrechen und ihre “Sünde” ihrem Vater gestehen würde. Sie tat ihm leid. “Jeanne, haben Sie eine Ahnung, warum Ihr Vater dermaßen gegen das Stück ist?”
Sie faltete die Serviette zu immer kleineren Quadraten. “Oh ja, ich bin sicher, ich kenne den Grund.” Sie sprach so leise, dass Kevin sich zu ihr hinüberbeugen und den schweren, fruchtigen Duft ihres aufdringlichen Parfums ertragen musste. “Mein Vater will nicht an sie erinnert werden.”
“An sie?”
Jeanne warf ihm einen betrübten Blick zu. “Arlene Merrill.”
“Sie wissen über Arlene Merrill und die Entführung Bescheid? Darüber, dass die Merrills neben Ihrem Vater gewohnt haben?”
“Ja”, sagte sie. “Mein Vater hat eine Sammelmappe. Sie ist voll alter Zeitungsartikel über den Prozess. Und dann gibt es da natürlich noch die Briefe.”
“Briefe?”
“Die Liebesbriefe.”
Kevin war fassungslos. “Arlene Merrill schickte Ihrem Vater … Liebesbriefe?”
“Oh nein. Es waren seine Briefe an sie. Aber er hat sie natürlich nicht abgeschickt. Niemals.”
Kevin war sprachlos. Jeanne schien noch mehr sagen zu wollen, klappte jedoch ihre Speisekarte auf, als Maggie zurückkam, die sehr blass aussah. Kevin nahm an, dass sie noch von ihrer knappen Rettung erschüttert war.
Er täuschte sich.
“Jeanne”, sagte Maggie sanft und griff nach ihrer Hand. “Ich fürchte, es hat einen Unfall gegeben. Ihr Vater …”
Bevor Maggie weitersprechen konnte, stieß Jeanne einen spitzen Schrei aus und sprang auf. “Oh nein! Nein! Es ist alles meine Schuld!”
Alle in dem Restaurant sahen Jeanne an, die lautstark weinte und darum kämpfte, über Kevins Schoß hinweg aus der Nische zu klettern. Kevin seinerseits kämpfte darum, ihr auszuweichen, aber irgendwie klemmten sie einander nur noch fester ein.
“Bitte, Jeanne”, flehte Maggie. “Er wird wieder gesund. Er ist wohl auf der Treppe ausgerutscht. Er hat sich das Bein gebrochen, aber …”
“Oh nein!”, rief Jeanne. “Ich hätte bei ihm sein müssen! Ich hätte … Bitte, Kevin, lassen Sie mich hinaus!”
“Ich versuche es”, erwiderte Kevin.
Sobald er sich aus der Nische schieben konnte, rannte Jeanne zum Ausgang. Maggie packte Kevin am Arm und lief hinterher. Da ihr Wagen noch in dem Bach feststeckte, mussten sie sich von Jeanne nach Thornhill mitnehmen lassen.
Sie kamen zu spät. Mit kreischenden Reifen jagte Jeannes Wagen los, bevor Maggie und Kevin den Parkplatz erreichten.
“Großartig”, murmelte Maggie.
“Übrigens”, sagte Kevin mit hochgezogener Augenbraue, “woher wusste der Automobilclub von Norton Squires Unfall?”
“Sehr komisch, Kevin. Mein Vater hat es mir erzählt. Und das sind noch nicht alle schlechten Neuigkeiten.”
“Oh?” Kevin fürchtete
Weitere Kostenlose Bücher