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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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eigenes Leben«, sagte er. »Du hast mit deiner Gabe viele Leben gerettet.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht so viele, wie ich verletzt habe.«
    »Möglich. Aber du hast den Rest deines Lebens, um das zu ändern. Du wirst lange leben.«
    Sie hatte den Rest ihres Lebens, um das zu ändern.
    Katsa schälte das Fleisch eines weiteren Fischs von den Gräten. Sie brach das flockige Fleisch auseinander, aß es, dachte darüber nach und lächelte.

Die Bäume wichen zurück und plötzlich kamen die Berge auf sie zu und mit den Bergen die Stadt, in der sie ihre Pferde lassen konnten. Die Häuser waren aus Stein oder aus dem schweren Holz von Sunder. Der Gasthof war an seinen langen Steinställen zu erkennen. Die Landschaft, die hinter der Stadt lag, nahm Katsa den Atem. Sie hatte zwar die Hügel von Estill gesehen, aber Berge noch nie. Sie hatte noch nie silbrige Bäume gesehen, die direkt in den Himmel ragten, und verschneite Felsen, die sich immer höher auftürmten zu unmöglich hohen Gipfeln, die golden in der Sonne glänzten.
    »Das erinnert mich an meine Heimat«, sagte Bo.
    »So sieht Lienid aus?«
    »Teile von Lienid. Die Stadt meines Vaters liegt in der Nähe solcher Berge.«
    »Nun«, sagte Katsa, »mich erinnert das an nichts, ich habe noch nie so etwas gesehen. Ich kann fast nicht glauben, dass ich es jetzt sehe.«
    An diesem Abend gab es für sie kein Lager und keine Jagd. Ihre Mahlzeit wurde für sie gekocht und von der grobschlächtigen, freundlichen Frau des Wirts serviert, die von den Augen der Beschenkten offenbar unbeeindruckt war und alles wissen wollte, was sie auf ihrer Reise gesehen hatten und wem sie begegnet waren. Sie aßen in einem Raum, der vom Feuer in einem großen Steinkamin geheizt wurde. Sie bekamen heißes geschmortes Fleisch, heißes Gemüse, heißes Brot, Stühle zum Sitzen, einen Tisch, Teller und Löffel, und sie hatten den ganzen Speisesaal für sich. Ihre Bäder hinterher waren warm und ihre Betten waren warm und weicher, als Betten nach Katsas Erinnerung sein konnten. Es war Luxus und sie genossen ihn, denn sie wussten, dass es für lange Zeit das letzte Mal sein würde.
    Sie reisten ab, bevor das Sonnenlicht über die Gipfel strahlte. Die Wirtsfrau hatte ihnen Proviant eingepackt und vom Brunnen des Gasthofs hatten sie sich kaltes Wasser geholt. Sie trugen fast alle ihre Sachen, alles, was sie nicht mit den Pferden zurückgelassen hatten. Katsa als bessere Schützin hatte Bogen und Köcher auf dem Rücken. Auf Schwerter hatten beide verzichtet, dafür hatten sie jeweils Dolch und Messer dabei, ihre Bettrollen, Kleidung, Münzen, die Medikamente, Landkarten und die Liste der Ratskontakte.
    Der Himmel, dem sie entgegenstiegen, wurde violett, dann orange und rosa. Der Bergpfad zeigte die Spuren anderer, die ihm gefolgt waren – kalt gewordene Feuer, Stiefelabdrücke in der Erde. An manchen Stellen standen Hütten für Reisende, sie enthielten keine Möbel, doch einfache, zweckmäßige Feuerstellen und waren vor langer Zeit von Sunder, Estill und Monsea gemeinsam gebaut worden, als die Königreiche noch für die Sicherheit der Reisenden zusammenarbeiteten.
    »Ein Dach und vier Wände können dich bei einem Schneesturm in den Bergen retten«, sagte Bo.
    »Bist du jemals in den Bergen in einen Schneesturm geraten?«
    »Einmal, mit meinem Bruder Silvern. Wir waren auf einer Klettertour und wurden von einem Sturm überrascht. Wir fanden die Hütte eines Waldbewohners – sonst wären wir wahrscheinlich tot. Vier Tage lang waren wir dort gefangen – wir aßen nichts als Brot und Äpfel, die wir mitgebracht hatten, und Schnee. Unsere Mutter hatte uns fast aufgegeben.«
    »Welcher Bruder ist Silvern?«
    »Der fünfte Sohn meines Vaters.«
    »Schade, dass du damals noch nicht so ein Gespür für Tiere hattest. Dann hättest du hinausgehen und einen Maulwurf ausgraben oder ein Eichhörnchen finden können.«
    »Und mich auf dem Rückweg zur Hütte verirrt«, sagte Bo. »Oder ich wäre zu einem Bruder zurückgekommen, der es sehr verdächtig gefunden hätte, dass ich in einem Schneesturm jagen kann.«
    Ihr Weg führte über Erde und Gras, manchmal auch Stein, und immer ragten die Berggipfel vor ihnen auf. Sie genossen es, aus dem Wald heraus zu sein, höher und höher zu steigen, sich schnell zu bewegen. Vom weiten, leeren Himmel strahlte Katsa die Sonne ins Gesicht, ihre Lungen füllten sich mit Luft. Sie war zufrieden.
    »Warum hast du deinen Brüdern nie von deiner Gabe

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