Die bezaubernde Arabella
Dingen nie teil«, erwiderte er abweisend.
»Schade. Dann werde ich Sie dort also nicht sehen«, bemerkte sie mit ungeminderter Herzlichkeit.
Sie sah ihn dort nicht, aber so wenig sie es auch ahnte, kostete es ihn doch beträchtliche Selbstbeherrschung, seinen berühmten Hochmut nicht über Bord zu werfen, sich vor ihrer Eitelkeit zu verneigen und auf den Ball zu kommen. Er tat es dann doch nicht, hoffte jedoch, daß sie ihn wenigstens vermißt hatte. Das hatte sie, aber dies war nun wieder etwas, was sie sich nicht einmal selbst eingestand. Arabella hatte den Nonpareil auf den ersten Blick gern gemocht, hielt aber ihre Empfindungen unter strenger Kontrolle. Als sie ihn das erste Mal gesehen, war er ihr wie ein in Erfüllung gegangener Traum erschienen. Dann hatte er Dinge zu seinem Freund gesagt, die ihre Achtung für immer erschüttern mußten, und sie schändlich zu vulgärer Unwahrhaftigkeit verführt. Nun gefiel es ihm, sie vor allen Schönheiten dieser Stadt auszuzeichnen, aus Gründen, die er besser wußte als sie, die ihr aber Argwohn einflößten. Keine Närrin, die kleine Tallant! Nicht einen Moment lang überließ sie sich der aberwitzigen Vorstellung, seine Schmeicheleien wären ernst gemeint. Es mochte geschehen, daß ihre Gedanken sich mit ihm beschäftigten, aber sobald sie es merkte, verscheuchte sie sein Bild entschlossen aus ihren Träumereien. Zuweilen dünkte es ihr, daß er ihr kein Wort von ihren Prahlereien an diesem Abend in Leicestershire, die sie nicht genug bedauern konnte, geglaubt hatte; dann wieder hatte es den Anschein, als ob sie ihn ebenso getäuscht hätte wie Lord Fleetwood. Man kam nicht dahinter, was er sich eigentlich dachte, aber eines stand fest: der große Mr. Beaumaris und die Tochter des Vikars von Heythram konnten nichts miteinander zu tun haben, und ergo war es um so besser, je weniger diese Vikarstochter über ihn nachsann. Es ließ sich nicht bestreiten, daß er gewandt und hübsch war, aber an seinem Charakter mochte mancherlei Unbefriedigendes sein. Er war offenbar träge, ein verwöhnter Günstling der Gesellschaft, der nur dem flüchtigen Vergnügen Gedanken schenkte: ein herzloser, oberflächlicher Modeabgott, völlig der Selbstsucht anheimgegeben, und vielleicht noch manch anderem Laster, das ihres Vaters Tochter zu verabscheuen gelernt hatte.
Wenn sie ihn auf diesem Maskenball vermißte, so merkte es jedenfalls niemand. Unermüdlich durchtanzte sie die ganze Nacht, wies einen Heiratsantrag des leicht angetrunkenen Mr. Epworth zurück, fiel bei Morgengrauen ins Bett und sank sofort in traumlosen Schlaf.
Zu höchst ungewöhnlicher Stunde wurde sie durch das Klirren der Schürhaken in dem kalten Kamin geweckt. Da die Hausmagd, die sonst allmorgendlich in ihr Zimmer kam, um den Kamin zu säubern und ein Feuer anzumachen, ihre Aufgabe mit geübter Lautlosigkeit erledigte, weckte dieser ungewohnte Lärm Arabella jäh. Ein Keuchen und Wimmern aus der Richtung des Kamins ließ sie mit einem Satz auffahren. Sie traute ihren Augen nicht, als sie einen kleinen, schmutzigen, tränenüberströmten Knaben sah, der auf dem Teppich vor dem Kamin hockte und sie aus weitgeöffneten Augen anstarrte.
»Heiliger Himmel«, stammelte Arabella. »Wer bist du?«
Das Kind duckte sich, als ihre Stimme ertönte, gab aber keine Antwort. Nun zerteilten sich die Schlafnebel, die Arabellas Denken umwölkten; ihre Augen erfaßten den Ruß, der auf dem Boden verstreut war, dann den seltsamen Besucher, und die Wahrheit dämmerte ihr auf. »Ach, du bist wohl ein Kaminfegerjunge? Aber was suchst du in meinem Zimmer?« Jetzt gewahrte sie den Schrecken in seinem Gesichtchen und sagte beruhigend: »Hab doch keine Angst! Hast du deinen Weg in diesen schrecklichen Kaminschächten verloren?«
Das Bürschchen nickte, ja es wagte sogar die Bemerkung, Grimsby werde ihn dafür prügeln. Arabella, die mittlerweise Zeit gehabt hatte zu bemerken, daß die eine Hälfte seines Gesichts geschwollen und verfärbt war, fragte: »Ist das dein Meister? Prügelt er dich oft?«
Der Knabe nickte wieder und erschauerte.
»Nun, diesmal wirst du keine Prügel bekommen«, sagte Arabella und streckte die Hand nach dem Schlafrock aus, der auf dem Stuhl neben dem Bett lag. »Warte, ich stehe gleich auf.«
Der Knabe schien durch diese Ankündigung eingeschüchtert, er zog sich gegen die Wand zurück und beobachtete sie ängstlich. Sie stand auf, schlüpfte in ihre Pantöffelchen, hüllte sich in den Schlafrock und
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