Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
Vom Netzwerk:
Nicht, wenn ich das Leben meines Vaters retten wollte.
    Er ließ seine Hand von meinem Kinn auf meinen Hals gleiten. Und während sich seine Finger um meinen Nacken schlossen, küsste er mich.
    Aus Hass wurde Angst, und aus Angst Grauen. Ich erkannte verzweifelt, dass nichts mehr für mich übrig war außer diesem verdorbenen und ausgelaugten Mann, der mich vielleicht verstand. Und so ertappte ich mich dabei, wie ich bei ihm Zuflucht suchte, darum bettelte, von ihm getröstet zu werden. Aber in seinen Küssen lag keine Wärme, seine Umarmungen boten keinen Schutz. Ich wollte Mitgefühl, sehnte mich nach Absolution, doch selbst das wurde mir verwehrt.
    Er drückte mich gegen die Wand, und ich stieß mich von ihm ab, als sich seine Hand um meinen Hals schloss. Doch seine Küsse waren trostlos und verzweifelt. Je mehr ich um Mitgefühl bettelte, je mehr ich mich selbst in ihm finden wollte, desto mehr zog er sich zurück, bis ich nur noch so war, wie ich immer gewesen war: vollkommen alleine. Meine Demütigung war vollkommen.
    Ich schob ihn mit einem Schrei von mir fort.
    Er lachte. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und sah mich mit einer solchen Verachtung an, dass ich spürte, wie ich meine letzte Würde verlor. Er verzog seinen Mund zu einem hämischen Grinsen.
    Ich begann zu zittern und konnte nichts dagegen tun. Ich hasste mich selbst. Hätte ich ein Messer gehabt, ich hätte mir die Lippen abgeschnitten und sie ins nächstbeste Feuer geworfen.
    »Du bist wie meine Mutter. Für sie war ich auch nie gut genug.« Er drehte sich um und ließ mich stehen.

    Ich drängte mich an ihm vorbei und machte mich auf den Weg in die Gemächer der Marquise, wo ich mich neben sie setzte. Obwohl ich zitterte, tat ich mein Bestes, um mir nichts anmerken zu lassen. Dieser Mann war bösartig. Ich schloss die Augen und versuchte, die Erinnerung an seine Berührungen und seine gezischten Worte zu verdrängen. Doch ich konnte es nicht. Ich hörte sie immer wieder.
    Wird es ein Mädchen, darf es am Leben bleiben … Wird es ein Junge, muss er sterben.
    Er wollte, dass ich das Kind tötete!
    Ich wusste nicht, wie ich das schaffen sollte. Aber ich konnte mich auch nicht weigern. Als ich mich an jenem Tag in Souboscq dem Grafen angeboten hatte, hatte ich mich mit dem Teufel eingelassen.
    Ich spürte noch immer seine Finger auf meinem Hals und seine Lippen auf meinem Mund. Selbst wenn er nicht da war, schien er bis in mein Innerstes vorzudringen und nach meiner Seele zu greifen. Ich hatte Fehler gemacht. Ich hatte denen, die ich liebte, großen Kummer bereitet, aber er hatte mich gebeten, etwas noch viel Schlimmeres zu tun.
    Hatte er recht? Stimmte es, dass mich niemand liebte?
    Aber wenn mich niemand liebte, was spielte es dann für eine Rolle? Warum sollte es mich dann noch kümmern?
    Ich schloss meine Augen vor einer Welt, die im Wahnsinn versank. Und in dieser tiefen und furchtbaren Finsternis starrten mich plötzlich Alexandres Augen an. Er streckte die Hände über den Abgrund, überwand den großen Raum, der uns trennte, und berührte mich.
    Mich.
    Stimmte es wirklich, was er gesagt hatte? Dass er mich wollte?
    Tausende Male hatte ich ihn als Kind geneckt. Tausende Male hatte ich gesehen, wie sich seine Schultern entspannten und er lächelte, wenn er mich sah. Wenn ich die Augen noch fester schloss, dann konnte ich hören, wie er der Kutsche des Grafen nachgerufen hatte, als ich damit von Souboscq fortgefahren war.
    »Nein!«
    Er hatte nicht gewollt, dass ich ging.
    Er hatte versucht, mich aufzuhalten, nicht wahr?
    Er hatte versucht, mich zu retten.
    Was hätte ich dafür gegeben, noch einmal das Gefühl seiner Finger zu spüren, die über meine Wange strichen! Ich hätte beinahe alles dafür gegeben, aber ich würde kein Kind töten. Ich würde es nicht tun. Ich konnte es nicht tun. Ich hatte gedacht, dass ich es tun musste, um meinen Vater zu retten. Ich hatte gedacht, dass ich keine andere Wahl hatte, als dem Grafen zu Diensten zu stehen. Doch ich hatte eine andere Wahl.
    Ich konnte mich weigern.
    Obwohl er meinen Vater vielleicht an den König verraten würde und obwohl er mir damit gedroht hatte, was Remy mit mir anstellen würde – ich würde es dennoch nicht tun. Ich würde mich eher köpfen lassen, als diesem Kind etwas anzutun.

Kapitel 27
    Der Graf von Montreau
    Château Eronville
Provinz Orléanais, Frankreich
    I ch stürzte in meine Gemächer. Remy wandte sich erschrocken vom Fenster ab, und als er

Weitere Kostenlose Bücher