"Die Bombe is' eh im Koffer"
inhalieren. Aber diesen Deal bietet einem in dem Moment leider keiner an.
Etwas sicherer ist man, wenn man nicht den Posten an der Handsonde hat. Zum Beispiel am Nachschautisch. Aber eben nur etwas sicherer. Ich werde nie die Sporttasche eines hübschen Pärchens vergessen, das nach Brasilien flog. Gut gekleidete Leute, Mitte oder Ende dreißig, dunkler Teint, das waren Spanier oder so. Die sahen ganz normal aus, weder prollig noch irgendwie abgehoben, die verhielten sich auch freundlich. Die Tasche war vom Monitorbild her nicht mal verdächtig, ich habe sie nur stichprobenhaft geöffnet, so viel zur Möglichkeit des synästhetischen Duftumschaltens. Ich zog den Reißverschluss auf, und dann fehlte nicht viel dazu, dass ich mich pfeilgerade in die Tasche übergeben hätte. Aus der roch es nämlich, als hätte man darin bei 40 °C zwei Wochen lang eine Leiche zwischengelagert.
Ich übertreibe da nicht, ich kenne den Geruch. Mein Vater war Metzger. Ich weiß also, wie Fleisch riecht, wenn es tot ist, und wie es riecht, wenn es lange tot ist. Und was da aus der Tasche waberte, war ohne jeden Zweifel lange tot.
Das Paar benahm sich, als röche die Tasche vielleicht etwas seltsam, aber auch nicht seltsamer als andere Taschen. Ich hab mir sofort die Gummihandschuhe übergezogen und das Ding untersucht. Ich fand Wäsche, Waschzeug, was zu lesen, ich fand nichts, was diesen bestialischen Gestank ausgelöst haben konnte. Und da fragt man sich schon manchmal, was da für Leute unterwegs sind. Aber man kann in die Köpfe eben nicht reinsehen wie in die Taschen.
Im zweiten Fall am Nachschautisch wurde ich von den Kollegen wenigstens vorgewarnt. Die wiederum waren von dem Reisenden selbst angesprochen worden. Was er ihnen gesagt hatte, weiß ich nicht, wenn bei uns Hochbetrieb ist, halten wir uns gegenseitig keine Volksreden. Aber damals, fand ich, wäre es schön gewesen, einen Satz mehr zu hören als:
» Pass auf, Achim, die Tasche ist wohl ein bisschen unangenehm.«
Ich öffnete den Zipper und riss entschlossen die beiden Taschenhälften auf. Dann sah ich den Passagier an, der vor mir stand.
» Ist das Ihre Tasche?«
Er nickte. Es war eine der überflüssigsten Fragen meiner Berufslaufbahn. Der Herr war bleich wie ein Handtuch, ergänzt durch eine grünliche Note im Gesicht, der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn, rann seinen Hals hinunter ungebremst ins Hemd, und seine Knie schlotterten. Er sah so erbärmlich aus, wie selten jemand, aber nicht so schlimm, wie der Inhalt seiner Tasche, in die er gerade noch vor der Kontrolle gekotzt hatte.
Da muss man durch. Man weiß nie, was Terroristen alles tun, um ihre Bomben und Messer durch die Kontrolle zu kriegen. Also rollte ich die Gummihandschuhe so hoch über die Handgelenke, wie es nur ging, und wühlte mich durch sein gestriges Essen. Ich war nicht schuld daran, dass es in seine Hausschuhe sickerte, seine Hemden, seinen Pyjama. Ehrlich, das war schon vorher so, ich musste nur alles nach versteckten Waffen durchsuchen. Aber in diesem Zustand war er eigentlich kaum reisefähig.
Das Ganze war ihm superpeinlich. Und er hatte Angst, dass ich ihn nicht zu seiner Maschine lassen würde, was ich mir tatsächlich für einen Moment überlegte, so, wie er beieinander war. Er sagte, dass er einen Magen-Darm-Infekt hätte, versprach, dass er alles säubern würde, was er meinetwegen gar nicht unbedingt hätte tun müssen, es war ja nicht mein Pyjama. Er tat es dann trotzdem, auf der wenige Meter entfernten Toilette, und man konnte auch sehen, dass sich sein Zustand tatsächlich stabilisierte. Also ließ ich ihn mitfliegen. Ich kann mich ohnehin nicht erinnern, jemand mal aus geruchlichen Gründen am Boden behalten zu haben. Obwohl ich es mir in dem ein oder anderen Fall wirklich ernsthaft überlegt habe.
Umwege
Flugpassagiere dürfen manchmal erstaunliche Dinge. Zum Beispiel dürfen sie wieder aus der Kontrolle raus, und zwar in der Richtung, aus der sie reingekommen sind. Nicht nur, wenn sie müssen, weil wir’s ihnen sagen, dann natürlich sowieso. Sondern auch dann, wenn sie wollen. Einfach so. Und wenn jetzt jemand wissen will, was da der Vorteil ist, oder welcher normale Mensch überhaupt einfach so rückwärts wieder aus der Kontrolle rauswollen sollte, dann lautet die simple Antwort: Wir. Die Luftsicherheitsassistenten.
Nicht immer, nicht überall, aber manchmal schon, und man kann es leichter verstehen, wenn man sich mal den Frankfurter Flughafen vorstellt. Da liegt
Weitere Kostenlose Bücher