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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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nicht auf, dann klappt der Geldbeutel immer wieder zu, und er kommt nicht an das Münzfach, und ein Vorgang, der normalerweise nicht länger als zehn Sekunden dauert, kann so auch schon mal fünf Minuten in Anspruch nehmen, dabei fällt ihm das Handy aus der Schulter, aber üblicherweise bleibt er gut gelaunt– » …ich bin hier an der Supermarktkasse, Schatz…«, häufig wird an dieser Stelle auch der muntere Satz eingestreut: » …du, die Leute gucken schon…«. Und so viel Verständnis ich für diese wichtigen Menschen ja immer habe, in diesem Moment guckte ich verträumt zu Jerry Weber, bei dem ich die Situation in besten Händen wusste.
    » Guter Mann, würden Sie bitte Ihren Mantel und Ihre Aktentasche in die Box legen«, trompetete Jerry, » Sie halten hier den ganzen Verkehr auf!«
    » Aber nein, mein Kleines, da hast du dich verhört. Ich hab doch keinen Verkehr, haha– Moment bitte, bin gleich so weit– aber Kleines. Ich bitte dich…«
    » JETZT HÖREN SIE MAL MIR ZU , MEIN BESTER ! WENN SIE NICHT SO - FORT MEINEN ANWEISUNGEN FOLGEN , DANN GEHT ES HIER RÜCKWÄRTS RAUS .«
    » Ich…«
    » UND OB SIE MIT DOLLY BUSTER ODER EINEM MINDERJÄHRIGEN MEERSCHWEINCHEN RUMMACHEN , IST MIR SCHEISSEGAL !!!«
    » Ich…«
    » HABEN WIR UNS VERSTANDEN ?!?«
    » Jetzt hat sie aufgelegt.«
    Ich muss sagen: Das mit anzuhören war, als bekäme ich eine von diesen asiatischen Massagen, wo sie einem warmes, duftendes Öl auf die Stirn laufen lassen. Man muss es jetzt auch nicht unbedingt gut finden, ich selber hätte so was nie gesagt. Aber wohltuend fürs Personal war’s trotzdem. Daher rührt auch meine Überzeugung, dass die Jerry Webers auf der Welt enorm wichtig sind.
    Denn in jedem Beruf gibt es Dinge, die einen in den Wahnsinn treiben. Und kaum jemand reagiert so darauf wie der Herr Weber, obwohl es jeder gerne mal täte. Aber der Herr Weber tut es, und er tut es sozusagen stellvertretend. Und jeder, der es mitbekommt, fühlt sich hinterher besser. Ich würde sogar sagen, dass der Herr Weber in seiner Zeit am Frankfurter Flughafen etwa acht Dutzend Magengeschwüre bei anderen Luftsicherheitsassistenten verhindert hat. Man darf bestimmt keinen Checkpoint nur mit Jerry Webers füllen, aber man sollte eigentlich sicherstellen, dass jeder Luftsicherheitsassistent einmal pro Woche mit einem Jerry Weber zusammenarbeitet. Ich denke, das sollte in fast jedem Beruf so sein: An der Supermarktkasse, im Postamt, im Krankenhaus, überall sollte einmal pro Woche ein Jerry Weber vorbeisehen. Und ich würde sogar fast vorschlagen, einen eigenen Beruf daraus zu machen, eine Agentur zu gründen, die auf Bestellung Jerry Webers in Firmen schickt. Aber das geht leider nicht, weil es zum richtigen jerrywebern wichtig ist, dass man den Irrsinn des jeweiligen Berufes selbst erlebt hat. Andererseits geht es natürlich manchmal etwas schneller ohne die Jerry Webers.
    Ich war wieder mal Einweiser, Jerry Weber stand mit einer Kollegin am Nachschautisch. Es war Hochbetrieb an allen Kontrollstellen am Gate A52, wie immer in den Morgenstunden. Man hat viele Vielflieger, und die meisten bringen das Ganze genauso routiniert hinter sich wie wir auch. Aber bei dieser Menge muss man auch immer davon ausgehen, dass einer dabei ist, der wirklich richtig miese Laune hat. Der Miesgelaunte dieses Morgens trug einen sündteuren Anzug und Schuhe, die nach einem kleinen Monatsgehalt aussahen. Allerdings hatte er ein neues Argument dabei. Die Einleitung war zwar relativ abgedroschen, also die Feststellung, dass es jede Woche dieselbe Scheiße hier wäre, aber im Unterschied zu vielen anderen war er nicht der Ansicht, dass wir ihn davor verschonen sollten, weil er nicht aussähe wie ein Terrorist. Sondern:
    » So langsam müsstet ihr hier doch wissen, wer ich bin! Ich fliege schließlich Businessclass.«
    Ich ging im Kopf wieder mal meine Antwortdatei durch. Zur Auswahl standen:
    a) » Himmel! Stimmt! Sie sind der aus der Businessclass!«
    b) » Dann sind Sie hier genau richtig– das ist die exklusive Businessclass-Kontrolle!«
    c) » Hübscher Anzug. Wohin möchten Sie den Senf?«
    Aber ich war natürlich wieder halbwegs Profi und brummelte nur:
    » Na also, dann wissen Sie doch, wie’s geht.«
    Das reichte zwar fast für eine weitere Eskalation, aber eben nur fast. Der Miesgelaunte sah mich sauer an, ging aber weiter durch die Torsonde. Es klingelte auch nicht, kein einziges Warnsignal, es lief so, wie man es von einem echten Vielflieger erwarten

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