Die braune Rose
… in aller Öffentlichkeit …«
»Warum soll ich etwas verbergen? Ernst Pachtner allerdings sucht lieber die Puffs in München auf.«
»Auch Heidi war entsetzt. Du weißt, daß Heidi dich sehr mag.«
Bert Schumacher sah seine Mutter mit geneigtem Kopf an. Sie ist eine merkwürdige Frau, dachte er manchmal, wenn er ihr so wie heute gegenüberstand. Aber nie hatte er den unverständlichen Gegensatz zwischen sich und seiner Mutter so gespürt wie in diesem Augenblick. Sonst war es immer so, daß Mütter und Söhne einander wortlos verstanden, wie Töchter und Väter zueinander immer ein engeres Verhältnis haben als Väter zu Söhnen. Bei Schumachers war es völlig anders. Wie isoliert lebte Erika Schumacher ihr sorgloses gesellschaftliches Leben. Sie repräsentierte … das war ihre selbstgestellte Aufgabe.
»Bei einem Typ wie Heidi ist die Übernachtung auf meiner Studentenbude noch kein Anlaß, darin lebensgestaltende Elemente zu sehen«, sagte Bert laut.
»Du bist frivol.«
»Ich wehre mich nur dagegen, daß ausgerechnet Heidi Pachtner einen Rechtskomplex von etwas ableitet, was ich mit einigen guten Kommilitonen teile.«
»Wie du sprichst!« Erika Schumacher ging zu einem großen Wandspiegel und betrachtete ihr Gesicht. Sie hatte Schatten unter den Augen. Diese Aufregungen, dachte sie erschrocken. Sie altern einen Menschen rabiat schnell.
»Womit habe ich das verdient, Bert?« sagte sie plötzlich weinerlich. Sie tupfte sich mit einem Seidentuch die Augen und senkte den Kopf.
Das ist der Komödie zweiter Akt, dachte Bert. Erst statuarische Größe, dann Schluchzen. Als drittes kamen die Krallen zum Vorschein. Es war der Punkt, wo Arnold Schumacher immer resignierte und seiner Frau recht gab. Bert war entschlossen, auch diese dritte Szene durchzustehen.
»Bitte, laß die Strapazierung deiner Tränendrüsen«, sagte er bewußt grob. »Wir kennen uns so gut, Mama, um uns diese Inszenierung sparen zu können.«
Erika Schumacher fuhr herum. Jetzt wird sie das Raubtier, dachte Bert. Ihre Augen sind stahlhart. Man könnte frieren in der Kälte, die sie ausströmt. Armer Papa, der zwanzig Jahre lang davor in die Knie ging, um seinen Frieden zu behalten.
»Ich wünsche, daß du diesen Bastard nicht wieder siehst!« schrie Erika Schumacher ohne Übergang aus ihrem Weinen.
»Dein Wunsch ist mir diesmal durchaus kein Befehl«, sagte Bert. Er senkte den Kopf und sah seine Mutter mit kantig gewordenem Gesicht an. »Ich möchte betonen, Mama, daß nur deine Stellung als Mutter mich daran hindert, dir für diesen eben gebrauchten Ausdruck die nötige Antwort und Belehrung zu geben.«
Mein Gott, wie spreche ich mit meiner Mutter, dachte er, als er es ausgesprochen hatte. Auch Erika empfand es so. Sie sank auf den Sessel und legte die Hände zitternd in den Schoß.
»Du bist vernarrt in dieses Mädchen.«
»Seit wenigen Minuten weiß ich, daß ich sie liebe. Du selbst hast mich dahin geführt. Ich muß sie lieben!«
»Ich werde mit Papa reden.«
»Es wird nichts nützen.«
»Du bist noch keine einundzwanzig.«
»Wenn das eine Drohung sein soll … auch diese kleine Zeitspanne werde ich überleben. Ich möchte sehen, wer mich in meinen Entschlüssen beeinflussen kann.«
»Du stößt den Namen deines Vaters in den Dreck!«
»Wo soll hier Dreck sein?«
»Die Leute werden reden.«
»Aber sie werden gern in Schumachers ›Schlaf-wohl-Schlafzimmern‹ liegen.«
»Auch die Firma kann darunter leiden.« Erika Schumacher hob flehend beide Hände. Ein dicker Brillant blitzte feurig auf. »Du kannst es dir einfach nicht leisten, als Erbe unseres Lebenswerkes der Freund eines Mischlingsmädchens zu sein. Wo kommt sie überhaupt her?«
»Der Vater war einst Negersergeant aus Alabama. Harry Bob Shirer. Landesmeister im Halbschwergewicht.«
»Ein Negerboxer! O mein Gott!« Erika Schumacher warf den Kopf zurück, als ersticke sie. Mitleidlos sah Bert auf sie herunter. Sie ist wie eine schlechte Schmierenkomödiantin, empfand er. Sie überspielt sich selbst und glaubt dabei auch noch an Wirkung.
»Auch ich habe mir meine Eltern nicht aussuchen können.« Er wandte sich ab und ging zur Tür.
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer. Er hörte nur noch, wie seine Mutter nach dem Telefon rief, mit einer merkwürdig schrillen, sich überschlagenden Stimme.
Jetzt wird sie Papa anrufen, dachte Bert, als er in die Bibliothek ging.
*
Der Meister hatte mit Marianne Koeberle gesprochen. Freundschaftlich,
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