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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Unterlaß, aber es waren einfach zu viele Läuse, und sie kamen zu schnell. Selbst als die Chitinleiber zu Dutzenden tot den Hang hinunterrollten, war das Feuer der Soldaten noch nicht schnell genug. Einige Läuse, zwei hier, dort drei, schafften es, den Ring der Soldaten zu durchbrechen und zu dem Mob der Sangraner am Fuß des Hügels zu gelangen.
    Obwohl Fraden sich grimmig eingestand, daß dies genau das Ereignis war, welches die Situation erforderte, drehte sich doch sein Magen um, als er sah, wie die Sangraner über die fliehenden Läuse herfielen. Da sie keine Brüder töten konnten, da sie keine Töter totschlagen konnten, ließen die Bauern ihre verzweifelte Wut an den unglücklichen, einfältigen Tieren aus. Die Reihe der Achtfüßler, die durch den Ring der Soldaten gedrungen war, verlor sich im brodelnden, kochenden Mahlstrom des Pöbels, als würden Baumäste gegen eine Kettensäge anlaufen. Später sah Fraden nur Stücke und Fetzen von den Kreaturen. Dort schwebte eine Laus einen Moment lang über den Köpfen der Menge. Dutzende grün verklebter Hände hielten sie hoch, während andere Fäuste ihr bei lebendigem Leib die Gliedmaßen ausrissen. Dann versank sie wieder in der Meute, wurde zerrissen, zerstampft. Ein grüner Kopf, den man von einem Rumpf abgerissen hatte, tanzte über dem Pöbel wie ein grotesker Volleyball, aus dem Schleim hervorquoll … Beine, K öpfe, Trümmer der Chitinpanzer erfüllten die Luft. Einer Laus gelang es, für einen Augenblick der rasenden Menge zu entkommen, doch dann wurde sie an einem der fünf Beine, die ihr erhalten geblieben waren, zurückgerissen. Ein Dutzend nackter Füße stampfte auf ihrem Rücken, bis ihr Panzer schließlich an der Seite aufplatzte.
    Fraden drehte dem Gemetzel den Rücken zu und rief fünf Soldaten zu sich. Dann erstieg er den steilen Hang des Läusehaufens, stellte sich auf den Gipfel und betrachtete das wogende Schreckensbild zu seinen Füßen.
    Herrje, dachte er fasziniert, während er beobachtete, wie die Sangraner die letzten überlebenden Läuse töteten, das hier sind nur Läuse! Wie wäre es, wenn es sich um Töter handelte? wenn es gar Brüder wären?
    Schließlich waren alle Läuse tot und alle grünen Leiber in Stücke gerissen. Die Sangraner liefen noch einige Zeit wild durcheinander. Sie hofften, daß weitere Läuse aus dem Haufen hervorkommen würden, damit sie ihnen den Garaus machen konnten. Als dies jedoch nicht geschah, entdeckten sie Fraden, der hoch über ihnen stand. Sie sahen zu ihm auf und stimmten einen Sprechchor an: „ BART ! BART ! BART ! BART SOLL LEBEN ! BART ! BART ! BART !“
    Das Stakkato ihrer Rufe schallte vom Läusehaufen zurück wie Maschinengewehrfeuer. Und Bart sah hinab auf den rasenden Chor der Sangraner, sah hinab auf den nackten, weichen Boden, der vom Läuseschleim bedeckt und von Tausenden glänzenden, grünen Chitintrümmern übersät war, er sah hinab auf die qualmenden Reste der fortgeworfenen Fackeln, sah hinab auf die zerstampften grünen Leiber, sah hinab auf das, was seine Stimme ausgelöst hatte.
    „ BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART !“
    Er spürte, wie es in pulsierenden heißen Wogen zu ihm heraufdrang: der Blutdurst, die Mordlust, der Wille zum Kampf und der Wille, ihm zu folgen. Drei Jahrhunderte unaufhörlicher Folter, endloses Morden, Bedrückung und Verzweiflung brachen sich jetzt Bahn wie eine Ölquelle, die nach ewigem Schlaf im dunklen Schoß der Erde hervorsprudelt. Und er war die Fackel, die diesen schwarzen Strahl entzünden und in eine flammende Lanze verwandeln würde. Mit dieser Lanze würde die Bruderschaft vom Antlitz des Planeten getilgt werden.
    Er hatte den Dämon endlich freigelassen, den Dschinn aus seiner Flasche befreit, und jetzt würde er über dieses mächtige Wesen herrschen, seinem Willen mußte es folgen, und ihn würde es nach oben tragen.
    „ BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART !“
    Er fühlte, wie die Macht über ihm ausgegossen wurde, wie sie seinen Geist erfüllte, seine Muskeln erwärmte und sein Wesen entflammte. Führe, schienen die Sangraner ihm zuzurufen, Führe, und wir werden dir folgen!
    Bart Fraden hob beide Arme in die Höhe.
    Er schickte sich an, zu seinem Volk zu sprechen.

 
9
     
    Bart Fraden kauerte auf dem Hügelkamm und sah hinab auf die lange Marschsäule der Töter, die in einer Reihe dem gewundenen Pfad folgten, der sich durch das hohe Gras wand und ein kleines Wäldchen inmitten des Tales

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