Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
durchquerte. Von hier oben sahen die Männer in den schwarzen Uniformen wie ein Zug von Ameisensoldaten aus. Wie marschierende Ameisen, dachte Fraden. Von meinem Platz aus kann man sie unmöglich zählen. Doch er wußte von seinen Kundschaftern, daß es etwa dreihundertfünfzig Töter waren, die dort auf das dichte Dschungelstück zumarschierten, in dem Willem mit zweihundertfünfzig Männern im Hinterhalt lag. Sie ähnelten Ameisensoldaten in mehr als einer Hinsicht. Wie Kampfameisen war den Tötern durch Zucht und Geburt ihre Aufgabe vorherbestimmt. Wie Kampfameisen mußten sie sich von dem Land ernähren, durch das sie zogen. Auch ihr Verdauungssystem ähnelte dem der Kampfameisen, die sich ausschließlich von Fleisch, von großen Mengen Fleisch, ernährten.
    Fleisch jedoch – in diesem Fall handelte es sich um Fleischtiere – hatten die Töter in den vergangenen zwei Wochen nicht eben häufig zu sehen bekommen. Sie waren gekommen, um zu kämpfen, dabei wollten sie sich von dem ernähren, was das Land ihnen bot, doch das Land hatte ihnen in beiderlei Hinsicht sehr wenig geboten.
    Dies war der klassische Beginn der zweiten Etappe eines Guerillakrieges. Der heimliche erste Teil verlangt es, daß die Mächtigen nicht spüren, daß ihnen ein Krieg bevorsteht, bis es zu spät ist. Wenn Moro ein paar hundert Töter hierhergeschickt hätte, als noch nicht alle Gehirne in diesem Bezirk tot waren und die Volksarmee nur aus ein paar hundert unzuverlässigen Herogynfreaks und etwa der gleichen Anzahl zweifelhafter Freiwilliger bestand, dann hätte er uns sehr leicht vernichten können. Aber Moro war natürlich zu sehr mit seiner Wahnsinnskampagne beschäftigt und vermutlich auch zu träge, um sich über ein paar vereinzelte Überfälle und einige geplünderte Anwesen Sorgen zu machen. Selbst vor sechs Wochen noch, als die Revolution schon einigen Rückhalt beim Volk gefunden hatte – aber bevor dieser Rückhalt dazu geführt hatte, daß es jetzt eine Armee von dreitausend Mann gab und daß ein ganzer Bezirk mit sechs ehemaligen Anwesen von der Bruderschaft und den Tötern abgefallen war –, hätten einige tausend Töter die Revolution vernichten können. Zumindest hätten sie so zurückschlagen können, daß sie in Zukunft nur noch als unwesentliche Belästigung empfunden worden wäre.
    Aber die Invasionstruppe von zweitausend Tötern, die nun angerückt war, kam bereits zu spät und war zu klein. Dabei war es ein interessanter Aspekt, daß die Truppen, die in drei Abteilungen vor zwei Wochen angerückt waren, als Eindringlinge kamen und nicht etwa als Verstärkung der Polizeitruppen. Diese Erkenntnis hatte sicher auch Moro dazu gebracht, seinen fetten Hintern endlich in Bewegung zu setzen. Seit mehr als einem Monat war dieser kleine Bezirk nämlich de facto Territorium der Freien Republik. Töterpatrouillen, die hierher vordrangen, wurden aufgerieben. Da die örtlichen Brüder tot waren, genau wie ihre Töter, erhielt Moro aus diesem Bezirk keinerlei Fleischtiere und Opfer für sein Wahnsinnsprogramm mehr. Moro hatte diesen Bezirk Stückchen für Stückchen durch eine Unzahl von kleinen Überfallen und Einzelaktionen verloren. So kam es, daß der Prophet erst merkte, daß eine Revolution bevorstand, als schon der ganze Bezirk verloren war.
    Bevor das Töterheer angekommen war, war das erste Stadium bereits abgeschlossen: Die Volksarmee hatte den ganzen Bezirk unter ihrer Kontrolle, sie hatte Unterstützung beim Volk, und sie verfügte über ein umfangreiches Arsenal von erbeuteten Waffen und Munition. Die Töter waren genau rechtzeitig zur Eröffnung der zweiten Phase eingetroffen: dem Vernichtungskrieg gegen die Töterarmee.
    Fraden sah, daß soeben die Vorhut der Töter-Marschsäule in den Dschungel eingedrungen war. Er fühlte die Nervenanspannung. Sobald die Hälfte der Feinde im Wald verschwunden war, würden Willem und seine Leute das Feuer eröffnen. Sie würden ein paar Soldaten erschießen, sich zurückziehen, einen neuen Hinterhalt legen, wieder einige töten, sich weiter zurückziehen, wieder aus dem Hinterhalt angreifen, zuschlagen und verschwinden, zuschlagen und verschwinden, genau wie sie es in den vergangenen Wochen getan hatten …
    Vor zwei Wochen war eine Streitmacht von zweitausend Tötern im Grenzbereich des Bezirks erschienen. Sie hatten ein Hauptlager angelegt und etwa die Hälfte ihrer Truppen zu seiner Bewachung zurückgelassen. Dann hatten sich die anderen Töter in drei Gruppen aufgeteilt und

Weitere Kostenlose Bücher