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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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die Unterhaltung immer freier dahin.
    Hassan Heinrich hatte drei Brüder und vier Schwestern. Alle waren in der lutherischen Missionsschule unweit des Hotels Kaiserhof getauft worden. Die Familie wohnte etwas weiter im Norden in zwei Fachwerkhäusern am Strand. Die Zwischenräume waren mit Lehm ausgefüllt und die Dächer mit Viungo , geflochtenen Palmblättern, gedeckt. Oscar konnte es vor sich sehen.
    Oscar lernte, dass das Fachwerk grundsätzlich aus Mangrovenbäumen bestand. Erst dachte er, das sei der Nähe zum Mangrovensumpf geschuldet, dass man einfach das Baumaterial nahm, das am leichtesten zu beschaffen war. Aber auf Nachfrage gab Hassan Heinrich einen anderen Grund an. Mangrovenbäume wurden nicht wie Miombo und Akazien von den »weißen Ameisen« befallen. Ganz nebenbei erhielt Oscar auf diese Weise eine äußerst wertvolle Information: Termiten waren die Geißel des Eisenbahnbaus. Obwohl die Schwellen und Brückenkonstruktionen mit Kreosot behandelt wurden, wusste niemand, wie lange sie den Termiten widerstehen würden. Gegen Termiten
resistente Mangrovenbäume könnten diesem Problem abhelfen. Im Augenblick diskutierte man, Schwellen aus Beton zu gießen, aber das war zeitaufwendig und teurer. Es war fast ein wenig peinlich, dass Oscar ganz nebenbei im Verlauf seiner ersten richtigen Unterhaltung mit Hassan Heinrich von dieser in Afrika allgemein bekannten, besonderen und ausgesprochen wertvollen Eigenschaft der Mangrovenbäume erfahren hatte.
    Und die Unterhaltung wartete noch mit weiteren Überraschungen auf. Hassan Heinrich war verheiratet. Seine Frau erwartete ihr erstes Kind. Sie war ebenfalls getauft, hieß Mouna Maria und wohnte im Augenblick bei Hassan Heinrichs Eltern.
    Oscar versprach, umgehend ein neues Haus für die junge Familie bauen zu lassen. Im nächsten Atemzug sprach er davon, in der Nähe des Hafens ein eigenes größeres Haus am Strand im Zentrum von Dar zu bauen, wo er jemanden bräuchte, der ihm den Haushalt führte. Wenn Hassan Heinrich bereit sei, diese Arbeit zu übernehmen, würde er in der Nähe seiner Familie sein. Über den Lohn brauche er sich auch keine Sorgen zu machen, er würde besser verdienen als auf der Eisenbahnbaustelle.
    Man nähere sich ohnehin, so Oscar, dem Ende des großen Projekts. Eisenbahnbaustellen wären zwar eigentlich nie wirklich abgeschlossen, aber der große Sprung war die Strecke von Daressalam zum Tanganjikasee. Es würden sicher weitere Strecken gebaut werden, vermutlich von Tabora nach Mwanza am Südufer des Victoriasees und von der Hafenstadt Tanga nach Arusha, aber früher oder später wäre Schluss mit dem Eisenbahnbau. Würde er dann den Busch verlassen und wie ein normaler Mensch in einem Haus leben?
Es war nur eine Frage der Zeit, bis man sich auf diese Umstellung vorbereiten müsse. Ein großes Haus am Meer konnte nicht unbeaufsichtigt bleiben, schon gar nicht, wenn der Besitzer ab und zu im Busch arbeiten musste. Im Laufe des nächsten Jahres würde die Strecke, an der sie gerade arbeiteten, Ujiji oder Kigoma erreicht haben. Vielleicht war das der Zeitpunkt, an etwas Neues zu denken.
    Hassan Heinrich sah aus, als wisse er nicht recht, was er von den vielen und großartigen Neuigkeiten halten sollte. Oscar hingegen hatten die spontanen Ideen richtiggehend entflammt.
    Ihm war natürlich bewusst, was diese Überlegungen in Gang gesetzt hatte. Es war der Umstand, dass Hassan Heinrich eine junge Frau hatte, die ein Kind erwartete. Die beiden brauchten ein eigenes Zuhause, vielleicht ja sogar ein Haus am Meer. Als er versuchte, sich Hassan Heinrichs Frau vorzustellen, sah er Aisha Nakondi am Strand vor einem großen weißen Haus im maurischen Stil, den Indischen Ozean im Hintergrund. Angesichts dieser Fantasien hätte er sich dazu hinreißen lassen, alles zu versprechen.
    Seine Fantasien über Aisha Nakondi verblassten auch nicht während der Arbeiten der folgenden Tage an dem befestigten Bahndamm, für den man sich anstelle einer niedrigen, aber langen Brückenkonstruktion über den Sumpf vor dem Lager entschieden hatte. Mindestens alle fünf Minuten warf er einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob sich die Kanus der Barundi näherten, um ihn abzuholen.
    Zu guter Letzt saß er dann endlich in einem schwer beladenen Kanu mit sechs Barundi-Kriegern. Sie suchten ihren Weg zwischen den hohen Bäumen im ufernahen
Teil des Sumpfes. Als Oscar nach oben schaute, glaubte er sich in einer funkelnden Kathedrale zu befinden. Als sie sich weiter

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