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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Vermutung lag er nicht falsch. Nachdem die Sekretärin mit säuerlicher Miene davongetrippelt war, vergingen nur wenige Sekunden, bis Christian Cambell Andersen aus seinem Büro gestürzt kam, mit ausgebreiteten Armen, als wollte er Lauritz umarmen. Dann überlegte er es sich doch rasch anders und reichte ihm die Hand.
    »Diplomingenieur Lauritzen, das nenne ich eine Überraschung! Treten Sie ein, ich habe tausend Fragen!«
    Wenig später saßen sie sich in englischen Ledersesseln gegenüber und musterten einander.
    Lauritz hatte einen Mann um die vierzig vor sich mit rotblondem Vollbart und elegant hochgezwirbeltem Oberlippenbart. Die Haare waren möglicherweise ein wenig zu lang. Er war schlank, mit natürlicher Autorität, das Befehlen gewohnt.
    Christian Cambell Andersen sah einen sonnengebräunten Sportsmann vor sich mit militärisch kurz geschnittenem Haar, wie es im Ausland üblich war, tadellos gekleidet, mit glatt rasierten Wangen, aber mit einem Schnurrbart in genau derselben Farbe wie sein eigener.
    »Du musst mir von der Eisenbahn erzählen«, ergriff Christian Cambell Andersen schließlich das Wort. »Oberingenieur Skavlan hat beim Eisenbahnverein einen Vortrag gehalten und uns versichert, alles laufe sehr gut. Was dich betrifft, war er im Übrigen voll des Lobes. Aber es gibt immer noch viele böse Zungen in dieser Stadt. Also, was ist wahr? Es ist doch in Ordnung, dass wir uns duzen?«
    Natürlich sei es das, versicherte Lauritz. Dann erläuterte
er kurz die Lage. Die Strecke würde in zwei Jahren fertig sein, aber es sei nicht sicher, ob der reguläre Verkehr dann sofort in Gang käme. Es würde vermutlich ein weiteres Jahr kosten, um herauszufinden, wo hohe Schneewehen die Errichtung von Holzdächern und anderen Schutzvorkehrungen vor dem Schnee erforderlich machten. Aber sie erwarteten keinerlei Schwierigkeiten, die sich nicht lösen ließen. Die Eisenbahn über die Hardangervidda würde garantiert Wirklichkeit werden.
    Christian Cambell Andersen lehnte sich zufrieden in seinem knarrenden Sessel zurück und ahmte geschickt eine Dampflokomotive nach.
    »Solche Laute geben wir von uns, wenn wir im Eisenbahnverein miteinander anstoßen«, erklärte er amüsiert, als er Lauritz’ verblüffte Miene bemerkte. »Ich wusste es! Ich habe nie daran gezweifelt. Wir werden ein fantastisches Einweihungsfest veranstalten. Was hast du eigentlich anschließend für Pläne?«
    »Ich habe mich bei Horneman & Haugen eingekauft und will in Bergen arbeiten.«
    »Das ist ja ganz ausgezeichnet! Dann werden wir oft die Gelegenheit haben, uns zu sehen, hoffe ich.«
    »Das hoffe ich auch. Beispielsweise bei der Guten Absicht , der ich gerne beitreten würde.«
    Die Miene von Christian Cambell Andersen verfinsterte sich.
    »Nun …«, meinte er zögernd. »Man tritt der Organisation nicht einfach bei, man wird auf Empfehlung von zwei vertrauenswürdigen Mitgliedern gewählt. Aber das ließe sich vielleicht arrangieren.«
    »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Lauritz.
    »Was ist eigentlich nach dem Examen aus deinen beiden Brüdern geworden? Ich habe nie wieder von ihnen gehört«, fragte Christian, eifrig bemüht, das Thema zu wechseln.
    »Sie sind in die Welt gezogen«, antwortete Lauritz, sah aber sofort ein, dass diese Antwort etwas dürftig war. »Sie hatten beide fürchterlichen Liebeskummer, ich glaube, das war das Ausschlaggebende. Oscar hat es nach Afrika verschlagen, aber ich hoffe, dass er bald nach Bergen zurückkehren wird. Sverre ist nach London gegangen, und dort wird er wohl auch bleiben. Aber sag mir … gibt es das Wikingerschiff noch?«
    »Ja!«, rief Christian Cambell Andersen und sprang auf. »Komm, ich zeige es dir!«
    Das Bootsmodell stand noch immer in demselben Schuppen, genau so, wie sie es zurückgelassen hatten. Lauritz war ergriffen, es wiederzusehen. Es war ein plötzlicher Sprung in die Vergangenheit, in eine andere Welt mit ganz anderen und viel begrenzteren Möglichkeiten.
    »Einer meiner engsten Freunde, Halfdan Michelsen, ein Schiffbauer, liegt mir schon seit Jahren damit in den Ohren, dass ich ihm das Modell überlasse«, erzählte Christian Cambell Andersen. »Aber ich dachte mir, dass ihr drei vielleicht eines Tages die Arbeit beenden wollt.«
    »Nur zu gerne. Schließlich hat mit diesem Modell alles angefangen. Sagtest du Schiffbauer? Du musst mich ihm vorstellen, ich habe eine Idee, die unter anderem darauf hinausläuft, dass der Herr Schiffbauer schließlich ein fertiges Modell des

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