Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
eingerollt und mit Seilen festgezurrt an den Eingang des Schneetunnels gebracht werden. Als die Leiche des Kollegen auf den Schlitten gelegt wurde,
hielt Hamre eine kurze, tränenreiche Rede, während alle ihren Hut in der Hand und den Kopf gesenkt hielten. Danach kehrten sie wortlos in den Tunnel zurück.
Lauritz und Daniel spannten sich wie zwei Pferde vor den Schlitten und zogen ihn zu den großen Ställen bei Finse hinunter, wo es Werkzeug und Holz gab. Sie zimmerten einen Sarg, damit die Hermeline sich nicht an dem Toten zu schaffen machten.
Sie begruben ihn einige Meter tief im Schnee, so wie sie es auch mit Rentierfleisch und Fisch machten.
In den Büchern schlug Lauritz den Namen und Heimatort des Toten nach. Er hieß Elling Ellingsen und stammte aus Eidfjord.
Lange saß Lauritz mit gezückter Feder im Arbeitszimmer der Ingenieure und starrte auf ein leeres Blatt Papier. Schließlich biss er die Zähne zusammen, tauchte die Feder in das Tintenfass und begann zu schreiben. Es sei seine traurige Pflicht, mitzuteilen, dass der junge Elling bei einem Steinschlag während der Arbeiten am Torbjørnstunnel bei Finse ums Leben gekommen sei.
Worte des Trostes fielen ihm keine ein, die, egal, ob sie von einem Geistlichen oder einem Ingenieur kamen, ohnehin wirkungslos waren. Das wusste er aus eigener Erfahrung.
Dennoch unternahm er einen Versuch, indem er schrieb, ihr Sohn Elling habe dem größten und schwierigsten Bauprojekt Norwegens sein Leben geopfert. Wer in naher Zukunft den Zug über die Hardangervidda nahm, würde sicher verstehen, welch große und wichtige Errungenschaft zu Nutz und Frommen Norwegens der Bau dieser Bahnlinie darstellte.
An dieser Stelle hielt er inne, weil ihm einfiel, dass er die aktuellen Versicherungsbedingungen gar nicht kannte. Würde Familie Ellingsen eine Auszahlung erhalten? Es war zu spät, um bei der Direktion anzurufen, aber er wollte den Brief fertigstellen und schrieb daher, dass Bergens Privatbank eine Summe von 1000 Kronen auszahlen würde. Die Direktion der Bergenbahn in Voss werde weitere Informationen liefern. Er schloss damit, ein weiteres Mal sein Beileid auszusprechen, und versiegelte dann den Umschlag.
Daraufhin wies er Bankdirektor Sievertsen an, von seinem privaten Konto 1000 Kronen an die Familie Ellingsen in Eidfjord auszuzahlen.
Nachdem er das erledigt hatte, seufzte er erleichtert und öffnete erwartungsvoll den dicken Umschlag seines Kompagnons Kjetil Haugen. Kjetil hatte im vergangenen Jahr etliche große Projekte für die Firma an Land gezogen. Die Geschäfte gingen inzwischen wieder besser, nachdem die Bergener erkannt hatten, dass das Eisenbahnprojekt bald von Erfolg gekrönt sein würde und alles andere nur bösartige Gerüchte gewesen waren. Für Horneman & Haugen war es noch eine Belastung gewesen, so sehr in den Bau der Bergenbahn involviert zu sein, für Lauritzen & Haugen stellte es inzwischen einen Vorteil dar. Was die Errichtung neuer Brücken und Landungsstege in Bergen und Umgebung betraf, war die Auftragslage erstklassig.
Ansonsten war es jedoch eine enttäuschende Lektüre. Die Stadtverwaltung Bergen hatte ihren Vorschlag für einen neuen Bahnhof abgelehnt.
Das war unbegreiflich. Ihr neuer Partner, der Architekt Jens Kielland, war wie Lauritz in Deutschland ausgebildet worden. Sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und die
Idee für den neuen Bahnhof an einem sehr fröhlichen Abend in angeregtem Gespräch, zuletzt sogar auf Deutsch, entwickelt.
Kjetil schlug vor umzudenken. Vielleicht schwebte den Bergener Stadtvätern etwas Nordischeres vor. Der verworfene Vorschlag erinnere vielleicht zu sehr an eine mittelalterliche deutsche Festung. Jens arbeitete bereits neue Pläne aus.
Außerdem hatte Kjetil Richtlinien ausgearbeitet, um die Geschäfte Mutter Maren Kristines anzukurbeln, ohne dass es ihr als Geldgier ausgelegt werden könnte, da dies bei seiner Mutter ein heikler Punkt war, wie er verstanden hatte. Aber Hindernisse waren schließlich dazu da, überwunden zu werden.
Kjetil hatte als ersten Schritt ein Warenzeichen mit Text und Bild eintragen lassen. Die Marke hieß Frøynes in Silber auf schwarzem Grund, und darunter war das Bild eines Hauses im Wikingerstil auf einer Landzunge an einem Fjord. Den Touristen sollte klargemacht werden, dass Frøynes und keine andere Marke à la mode war.
In einem zweiten Schritt sollten die vornehmsten Läden der Stadt Frøynes -Produkte in Kommission nehmen und so teuer wie möglich
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