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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wenn der Skandal eine Tatsache war. Ihre Spur würde sich in Hamburg verlieren. Nein, nichts konnte schiefgehen.
    Ingeborg bedauerte, sie nicht begleiten und sich ein letztes Mal von ihr verabschieden zu können. Aber das ging nicht, da sie vollkommen unwissend und ebenso »schockiert« spielen musste wie alle anderen. Sie würde genau dort sitzen, wo sie jetzt saß, die Regatta verfolgen und besorgt sein, weil ihre beste Freundin nicht erschienen war.
    Ihr konspiratives Gespräch fand ein Ende, als sich in der Hafeneinfahrt etwas ereignete und sich alle um sie herum erhoben und an die Reling traten, um besser sehen zu können. Ingeborg und Christa beeilten sich, es ihnen gleichzutun. Sie erblickten eine große Segeljacht, die keiner der Jachten der größten Klasse glich. Sie führte die norwegische Flagge. Ingeborgs Puls beschleunigte sich, und in ihrer Brust pochte es so heftig, dass ihr fast der Atem stockte. Mit einem kurzen Nicken bestätigte sie Christa, dass dies Lauritz war.
    Die Erregung unter den Zuschauern auf der Hohenzollern stieg, man deutete und gestikulierte, eine Frau hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund. Das norwegische Boot hatte viel zu hohes Tempo, und es sah so aus, als würde es die Pier und die vertäuten Konkurrenten mit voller Kraft rammen.
    Aber im letzten Augenblick, direkt neben der Hohenzollern , vollführten die Norweger ein beeindruckendes Manöver. Sie wendeten das Boot zügig mit engem Radius und so starker Krängung, dass ein Teil des Kiel-und Unterwasseranstrichs, tiefblau mit weißem statt rotem Rand, zu sehen war. Als sich die Jacht wieder aufgerichtet hatte, stand sie, den Bug im Wind und mit flatternden Segeln, vollkommen still. Während die Crew das Großsegel barg und provisorisch am Baum festzurrte, drehte sich das Boot mithilfe
der Fock majestätisch langsam. Das Namensschild am Heck wurde sichtbar: RAN in großen goldenen Buchstaben, darunter stand Bergen .
    »Ran ist die Frau des Meeresgottes Ægir«, flüsterte Ingeborg Christa ins Ohr. Beide waren wie alle anderen von dem waghalsigen Manöver beeindruckt.
    Die Nachmittagssonne funkelte in dem braunen, glänzenden Mahagonirumpf, als die Ran langsam und würdevoll an ihnen vorbei auf den reservierten Platz zuglitt, während die Crew die Fender anbrachte und ein Mann mit einem Bootshaken seine Position auf dem Vordeck einnahm. Mit perfekter Geschwindigkeit, um weder die Nachbarboote zu berühren oder zu fest auf die Pier aufzutreffen, glitt die große Segeljacht an ihren Platz.
    Die Norweger, die alle blaue, gemusterte Pullover und weiße Hosen trugen, wurden mit stürmischem Applaus von den Zuschauern auf den Stegen und von dem adligen Publikum auf der Hohenzollern empfangen. Ein Mann neben Ingeborg und Christa erklärte aufgeregt, das sei das perfekteste Anlegemanöver gewesen, das er je gesehen habe. Es sei doch sehr erstaunlich, dass sich eine Fünfundzwanzigmeterjacht mit einem Gewicht von sicher über zwanzig Tonnen leicht wie eine Jolle manövrieren lasse. Diese norwegischen Wikinger würden der siegesgewohnten Kaiserfamilie sicherlich die Stirn bieten.
    »Komm«, flüsterte Ingeborg, »wir begrüßen sie. Das dürfte nun wirklich nicht unpassend sein, schließlich sind wir miteinander bekannt.«
    Sie waren nicht die Einzigen, die sich die Ran näher ansehen wollten, an der Gangway hatte sich bereits eine Schlange gebildet, und auf der Pier der Kaiserklasse wurde
das Gedränge noch größer. Es dauerte unerträglich lange, bis sie sich zur Ran vorgearbeitet hatten, auf der die Besatzung damit beschäftigt war, die Segel zu verstauen und die Jacht achtern an einer Boje und an Klampen auf der Pier zu vertäuen.
    Ingeborg sah Lauritz ganz hinten im Cockpit stehen und mit routinierten Bewegungen eine dünne Leine, vermutlich eine Schot, zwischen Ellbogen und Daumen aufschießen. Sie rief seinen Namen und winkte, und er erblickte sie und war mit einem Satz aus dem Cockpit. Im ersten Moment sah es so aus, als wollte er über das Deck auf die Pier rennen. Aber glücklicherweise fing er sich wieder, verlangsamte sein Tempo und gab sich den Anschein, als wollte er alte Bekannte begrüßen. Am Bug angelangt, erkannte er, dass es keine gute Idee war, auf die Pier zu springen, weil die Menschen dort viel zu dicht gedrängt standen.
    Stattdessen zog er an einem Festmacher, damit erst Christa und dann Ingeborg an Bord kommen konnten. Er küsste ihnen beiden die Hand und führte sie unter Deck, um sie seiner Besatzung

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