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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Ingeborg ihn in Verlegenheit, was sie amüsierte. Da sie ihm erzählt hatte, dass ihr Vater der Eigner der Ellida war, wusste er, wer sie war, obwohl er sich nichts anmerken ließ.
    Ein einfacher Leutnant konnte nicht einfach mit Passagieren der Hohenzollern plaudern. Andererseits hatte sie ihn dazu aufgefordert. Die Höflichkeit forderte, dass er ihrem Wunsche nachkam.
    Wie immer er sich verhielt, würde er etwas falsch machen. Ingeborg war gespannt, wie er sich entscheiden würde.
    »Darf ich Ihnen eine Erfrischung holen, gnädiges Fräulein?« , versuchte er sich aus der Verlegenheit zu retten.
    »Ja, Herr Leutnant, sehr gerne. Wollen Sie vielleicht mit mir ein Glas Rheinwein trinken? Dabei könnten Sie mir dann gleich den Verlauf der Regatta genauer erklären. Das würde mich sehr freuen.«
    Sie zog die Schraube fester. Er litt Qualen.
    »Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen sofort ein Glas Rheinwein serviert«, erwiderte er und schickte sich an, zu gehen. So leicht würde er jedoch nicht davonkommen.
    »Das wäre außerordentlich freundlich, Herr Leutnant«, sagte sie mit ihrem mildesten Lächeln. »Aber versprechen
Sie mir, dass Sie wiederkehren und mir alles über die Regatta erzählen!«
    Der Leutnant salutierte und verschwand.
    So bin ich erzogen worden, dachte sie. Seit ihrer Geburt war sie auf dieses Leben, auf Spiel und Falschheit vorbereitet worden. Sie beherrschte es bis in die Fingerspitzen. Bald schon würde sie ein anderes Leben leben, im fernen Norwegen, in einer Stadt, die Bergen hieß, in einem kleinen Haus in der Alleestraße, die auf den Fotos aussah, als läge sie in einer deutschen Kleinstadt. Gab es in Bergen eine Universität? Natürlich, Bergen war Norwegens zweitgrößte Stadt. Aber gab es auch eine medizinische Fakultät? Vermutlich.
    Lustig, dass der Leutnant sie auch noch mit »gnädiges Fräulein« ansprach, nachdem er erfahren hatte, wer sie war.
    Sie war gespannt, wie er vorgehen würde, wenn er gleich, wie zufällig, einsah, dass er seine Anrede ändern und sich für seinen Fauxpas entschuldigen musste.
    Empfanden Männer dieses Gefängnis der Konventionen als ebenso beengend wie Frauen? Der Gerechtigkeit halber konnte man sich diese Frage durchaus stellen. Aber die Antwort lautete Nein. Männer besaßen nach wie vor sämtliche Privilegien, und es würde hundert Jahre dauern, bis sich daran etwas änderte.
    Der Leutnant kehrte mit einem Kellner im Gefolge zurück, der ein Glas Rheinwein und ein Tischchen brachte.
    »Ich finde mich gemäß Befehl wieder bei Ihnen ein, gnädiges Fräulein«, sagte der Leutnant unter Aufbietung seines gesamten Charmes und salutierte. »Ich bitte darum, Platz nehmen zu dürfen!«
    »Sie sind mir sehr willkommen, Herr Leutnant«, zwitscherte
Ingeborg. »Und jetzt erzählen Sie mir bitte, was sich da auf See eigentlich zuträgt!«
    Er war gerade im Begriff gewesen, auf Christas Stuhl Platz zu nehmen – Herrgott, in diesem Augenblick veränderte sich Christas gesamtes Leben! –, trat nun aber mit zwei raschen Schritten an die Reling und hob seinen Feldstecher.
    Hoffentlich gelang ihr die Flucht! Hoffentlich blieb die Autodroschke nicht liegen, und hoffentlich lief sie nicht ihrer Mutter in die Arme oder Ähnliches!
    »Die erste Bahnmarke nähert sich, und es ist zu dramatischen Veränderungen gekommen«, berichtete der Leutnant, als er zurückkehrte.
    »Nehmen Sie doch bitte wieder Platz, Herr Leutnant«, sagte sie. »Was für Veränderungen?«
    Die Jachten näherten sich der ersten Bahnmarke, die umrundet werden musste. Der Kaiser lag noch in Führung, jedoch dicht gefolgt von den Amerikanern, Norwegern und möglicherweise Friedrich dem Großen . Die Perspektive und die große Entfernung erschwerten die Beurteilung der exakten Position des Kaisers im Verhältnis zu den Ausländern. Aber noch gebe es Hoffnung, denn auf der nächsten Strecke werde gekreuzt, die schwierigste Disziplin, bei der die Zusammenarbeit der Besatzung von wesentlicher Bedeutung sei, und die besten Segler Deutschlands befänden sich schließlich auf den kaiserlichen Jachten.
    »Was halten Sie von der norwegischen Jacht? Die Norweger sind ja zum ersten Mal dabei?«, fragte Ingeborg.
    »Nun«, erwiderte der Leutnant und schüttelte resigniert den Kopf. »Schwer zu sagen. Das ist ja eine ganz neue Konstruktion und in vieler Hinsicht das pure Gegenteil von dem, was wir gewohnt sind. Poliertes Mahagoni mit
lackierter Bordwand, dazu nur ein Vorsegel. Das Deck hingegen, das bei uns aus

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