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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Sverre im Bug. Die anderen fischten Dorsche, aber er musste rudern. Lauritz erzählte die Geschichte, wie der Donnergott Thor die Midgardschlange aus dem Meer gefischt hat.
    Der Wind vom Indischen Ozean strich zärtlich über Aisha Nakondis glänzende Haut. Sie liebte den Anblick des Meeres. Er leckte ihren warmen Rücken, der nach Salz und Vanille schmeckte, sie lachte, es kitzelte und erregte sie, was sich nicht schickte, da sie nicht allein waren, aber er konnte in dem großen weißen Haus im maurischen Stil keine Menschenseele in der Nähe entdecken und drängte sie, sich vornüberzubeugen. Als er in sie eindrang, sah er ihren kleinen Sohn Mkal auf die Veranda treten. Er entdeckte Vater und Mutter in einer für Deutsche äußerst privaten Situation und brach in Tränen aus und betete schreiend alle Präpositionen mit dem Dativ herunter: aus, bei, mit, nach, seit, von, zu und gegenüber.
    »Aus, bei, mit, nach …«, murmelte er und sah ein, dass er nicht mehr träumte. Das Fieber erzeugte einen unendlichen Strom von Träumen, einige davon unheimlich wirklich, andere völlig haarsträubende Fantastereien. Hatte er wieder von dem Elefanten geträumt, der Hans Christian tötete? Nein, dieses Mal nicht.
    Das war für gewöhnlich sein am häufigsten wiederkehrender wahrer Traum. Kadimba und er standen in dem mannshohen Gras und sahen die vier angreifenden Elefantenbullen direkt auf sich zustürmen. Als Erstem gelang
ihm, dann Kadimba ein frontaler Treffer. Kadimbas Elefant ging so dicht vor ihm zu Boden, dass er beiseitespringen musste, um dem letzten wütenden Versuch des Tieres auszuweichen, ihn mit dem Rüssel zu packen. Aber die beiden Bullen rechts von ihm hatten es auf Hans Christian abgesehen, der sich hinter einen Baum geflüchtet, aber durch Bewegungen zu erkennen gegeben hatte. Kadimba und Oscar beschossen den hinteren der beiden. Sie zielten auf das hoch liegende Hüftgelenk und den sichtbaren Abschnitt des Rückgrats oberhalb des Schwanzes. Schließlich brach er zusammen.
    Aber da war es zu spät. Der letzte Bulle, der, geschützt durch jenen, den Kadimba und Oscar unschädlich gemacht hatten, auf Hans Christian zugestürzt war, packte diesen mit dem Rüssel, warf ihn zu Boden und trampelte mit den Vorderfüßen auf ihm herum. Binnen eines Augenblicks hatte ihm das wütende Tier zwei, drei tödliche Tritte versetzt, ließ aber nicht von ihm ab. Die sterblichen Überreste Hans Christians hatten nichts Menschliches mehr, eine mit Kleidern umwickelte blutige Masse.
    Die Traumversion war nicht so kalt-sachlich wie die Erinnerung. Wenn er von der Katastrophe träumte, wie er es bereits über hundertmal getan hatte, war der Schrecken unfassbar viel größer, manchmal, weil er selbst das Opfer war, manchmal, weil er Hans Christian beizustehen versuchte, seine Beine ihm aber nicht gehorchten, manchmal, weil er schießen wollte, sein Gewehr aber nicht funktionierte.
    Er merkte, dass das Fieber nachließ. Das konnte Gutes, aber auch Schlechtes bedeuten. Dr. Pilz hatte gesagt, kurz vor dem Tod könnte es noch einmal einen lichten Moment
geben. Dr. Pilz hatte ihn aufgegeben und war mit gesenktem Blick zu Frauen und Kindern weitergeeilt.
    Man wusste nicht recht, um was für eine Krankheit es sich handelte. Erst war er davon ausgegangen, dass ihn die Malaria endlich doch eingeholt hatte, obgleich er von Anfang an von Dr. Ernsts geglückten medizinischen Experimenten profitiert und das aus der Rinde des Chinarindenbaums hergestellte Präparat eingenommen hatte.
    Anfangs hatte er die typischen Malariasymptome gehabt, Kopfschmerzen, Schwindel und Fieber. Aber dann waren Durchfall und Erbrechen hinzugekommen. Er trocknete rasch aus, weil er keine Flüssigkeit, ganz gleichgültig, ob abgekochtes Wasser oder Bier, bei sich behalten konnte. Wachträume gingen in Bewusstlosigkeit über. Alles hatte sich in eine Traumwelt verschoben, und er konnte sich kaum daran erinnern, was während der kurzen wachen Momente geschehen war, weil es ihm schwerfiel, zwischen Traumbildern und wirklichen Erinnerungen zu unterscheiden. Er griff zu der Glocke, die auf seinem Nachttisch stand, und ein freudestrahlender Hassan Heinrich trat so rasch ins Zimmer, dass er auf einem Stuhl vor der Schlafzimmertür gewartet haben musste.
    »Bwana Oscar, Sie sind wach! Dann werden Sie leben, Gott und Mbene sei Dank!«
    Oscar richtete sich mühsam in den durchgeschwitzten Kissen und zerwühlten Laken auf und nahm das Wasserglas, das ihm Hassan Heinrich mit

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