Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
jemanden kannten, der sieben Prozent der Eisenbahn besaß.
Oscars langes, nachdenkliches Schweigen schien Hassan Heinrich zu beunruhigen.
»Habe ich etwas falsch gemacht, Bwana Oscar?«, fragte er.
»Nein, Hassan Heinrich, ganz und gar nicht! Nur eine kurze Frage. Mussten Fahrgäste den Zug verlassen, nachdem du die Erste-Klasse-Fahrkarten besorgt hast?«
»Ja, Bwana Oscar. Sie waren sehr wütend, aber ich habe
mich mit den beiden Heilerinnen unbemerkt an ihnen vorbeigeschlichen und sie zu den zwei freien Plätzen gebracht. Die Fahrgäste, die aussteigen mussten, haben uns nicht gesehen.«
»Hervorragend organisiert, Hassan Heinrich«, nickte Oscar und stellte sich dabei das Erstaunen der anderen Erste-Klasse-Passagiere vor, die zugesehen hatten, wie zwei anständige Bürger aus dem Zug geworfen wurden, damit zwei schwarze Frauen mit seltsamem Gepäck zusteigen konnten. Zweifellos ein Ereignis, über das in Dar geredet werden würde.
»Und jetzt zu dem, was du nicht erzählen willst«, fuhr Oscar mit Nachdruck fort. »Lass mich dir erst einmal sagen, dass du alles richtig und sehr gut gemacht hast, keine Frage. Denk daran, dass du seit vielen Jahren mein Freund bist, Hassan Heinrich, und nicht nur mein Hausverwalter. Ich bin wirklich sehr neugierig und will es wissen. Verstehen wir uns?«
»Ja, natürlich, Bwana Oscar.«
»Wie genau wurde ich aus den Klauen des Todes befreit?«
Hassan Heinrich ließ den Kopf hängen, und sein Blick flackerte unsicher, was gar nicht seine Art war, schließlich kannten sie sich schon sehr lange.
Anfänglich musste ihm Oscar jedes Wort aus der Nase ziehen und immer wieder nachfragen. Erst als Hassan Heinrich klar wurde, dass es seinem Dienstherrn nicht darum zu tun war, Fehler oder Misslichkeiten aufzudecken, begann er, flüssiger zu erzählen.
Die drei Frauen, also die zwei Heilkundigen und Aisha Nakondi, hatten sich in das Krankenzimmer begeben und
Hassan Heinrich aufgefordert, den Knaben Mkal in ein Zimmer im Obergeschoss zu bringen und ihn dort mit Spielsachen oder anderen Dingen zu versorgen. Er hatte ihm ein indisches Schachspiel mit Figuren aus Silber und Gold gegeben.
Danach hatte er im Krankenzimmer assistiert. Als Erstes hatten sie die gesamte Bettwäsche entfernt und ihn angewiesen, diese zu verbrennen. Dann hatten sie sämtliche Fenster im Untergeschoss geöffnet und für Durchzug gesorgt, wovon der deutsche Arzt strengstens abgeraten hatte. Sie hatten sich heißes Wasser bringen lassen und den bewusstlosen Oscar auf seiner Kapokmatratze, die nur von dem durchgeschwitzten Baumwollüberzug bedeckt war, gewaschen, wofür sie nicht nur Wasser und Schwämme, sondern auch ein weißes Pulver und Öle ungewöhnlicher Früchte verwendet hatten.
Dann hatten sie Hassan Heinrich um frische Bettwäsche gebeten. Während er das Bett bezog, legten sie den Kranken auf den kalten Steinfußboden, wovor der deutsche Arzt ausdrücklich gewarnt hatte. Oscar hatte wie eine Leiche ausgesehen. Die Brise vom Meer war die ganze Zeit durch das Zimmer gestrichen.
Dann hatten die Frauen aus fein gespaltenem, mitgebrachtem Holz neben den beiden französischen Türen, wo es am meisten zog, ein Feuer entfacht und absonderliche Dinge, auf die sich Hassan Heinrich keinen Reim machen konnte, verbrannt beziehungsweise gebraten und dem bewusstlosen Oscar den einen oder anderen Bissen mit sanfter Gewalt und in kleinen Mengen in den Mund geschoben.
Sie hatten ihn, nachdem seine Haut von der Meeresbrise
fast getrocknet worden war, ein weiteres Mal mit ihrem magischen Wasser gewaschen. Dann hatten sie ein bestimmtes Körperteil eingecremt …
Hassan Heinrich behauptete, diesen Teil der Behandlung nicht so genau gesehen zu haben, was sehr unglaubwürdig war. Die Frauen hatten ihre Masken angezogen und einen langsam wiegenden Tanz vollführt, wobei sie das Feuer an der Patiotür unterhalten und Funken sprühende und knisternde Kräuter darin verbrannt hatten. Aisha Nakondi war nackt und hatte sich mit gespreizten Beinen auf Bwana Oscar gesetzt, dessen Männlichkeit stolz aufragte, was in Anbetracht der Umstände als ein göttliches Wunder gelten musste oder irgendeine andere Art von Wunder, aber jedenfalls ein Wunder.
Der Liebesakt war sehr langsam und zärtlich vonstattengegangen.
Von diesen Dingen erzählte Hassan Heinrich sehr zögerlich. Oscar musste ihn geradezu einem Verhör unterziehen, um die Einzelheiten zu erfahren.
Nach dem Liebesakt hatten ihn die drei Frauen hochgehoben wie eine Feder
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