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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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dann aus dir?«
    »Schamloser Heuchler!« brüllte Dmitri Fjodorowitsch.
    »So behandelt er seinen Vater, seinen Vater! Und wie geht er erst mit anderen Leuten um! Stellen Sie sich vor, meine Herren, hier lebt ein armer, aber achtenswerter Mann, ein Hauptmann a. D. Er hat Unglück gehabt, ist entlassen worden, aber nicht infolge eines öffentlichen Gerichtsverfahrens. Seine Ehre blieb unbefleckt, und er hat eine große Familie am Halse ... Vor drei Wochen packte ihn Dmitri Fjodorowitsch in einem Restaurant am Bart, zog Ihn auf die Straße und verprügelte ihn vor den Leuten – und alles nur, weil jener in einer geschäftlichen Angelegenheit mein heimlicher Bevollmächtigter war.«
    »Lüge! Von außen Wahrheit, von innen Lüge!« rief Dmitri Fjodorowitsch, zornbebend. »Vater, ich will meine Handlungsweise nicht rechtfertigen. Ja, ich bekenne vor aller Ohren: Ich habe mich wie ein Tier benommen gegen diesen Hauptmann, ich bedaure das und verachte mich selber deswegen. Aber dieser Hauptmann, Ihr Herr Bevollmächtigter, war zu derselben Dame gegangen, die Sie soeben ›allerdings verführerisch‹ nannten. Er hatte ihr in Ihrem Auftrag vorgeschlagen, sie möchte meine in Ihrem Besitz befindlichen Wechsel einklagen, um mich dann einsperren zu lassen, sollte ich Ihnen bei der Abrechnung über mein Vermögen zu sehr zusetzen. Sie wollen mir jetzt den Vorwurf machen, ich hätte für diese Dame eine Schwäche; dabei haben Sie selbst ihr beigebracht, mich anzulocken! Das erzählt sie den Leuten ganz offen! Auch mir hat sie es erzählt und sich über Sie lustig gemacht! Einsperren wollen Sie mich nur, weil Sie auf mich eifersüchtig sind! Sie haben sich nämlich selbst an diese Dame herangemacht! Auch das ist mir bekannt, auch das hat sie mir wieder lachend, hören Sie, über Sie lachend, erzählt. Da haben Sie nun diesen Menschen, fromme Männer, diesen Vater, der seinem liederlichen Sohn Vorwürfe macht! Verzeihen Sie mir den Zorn, meine Herren Zeugen! Ich ahnte schon, daß dieser heimtückische alte Mann Sie nur zusammenkommen ließ, um einen Skandal herbeizuführen. Ich kam mit der Absicht zu verzeihen, sobald er mir die Hand entgegenstreckt. Ich wollte verzeihen und um seine Verzeihung bitten! Aber da er soeben nicht nur mich, sondern auch ein höchst anständiges Mädchen beleidigt hat, dessen Namen ich aus Achtung vor ihr nicht ohne Grund auszusprechen wage, bin ich entschlossen, sein ganzes Spiel öffentlich aufzudecken, obgleich er mein Vater ist ...«
    Er war nicht imstande weiterzusprechen. Seine Augen funkelten, sein Atem ging schwer. Aber auch die anderen Anwesenden waren erregt. Alle außer dem Starez hatten sich unruhig von den Plätzen erhoben. Die Priestermönche machten finstere Gesichter und warteten auf eine Willensäußerung des Starez. Der aber saß da, schon völlig blaß, nicht etwa vor Aufregung, sondern vor Schwäche. Ein flehendes Lächeln zuckte um seine Lippen, und ab und zu erhob er die Hand, als wollte er die Streitenden zurückhalten. Freilich, eine einzige befehlende Geste hätte genügt, um dieser Szene ein Ende zu machen, aber er selbst schien etwas zu erwarten und beschränkte sich deshalb auf das aufmerksame Beobachten, als suchte er noch eine Erklärung, als wäre ihm irgendein Punkt noch nicht klar. Pjotr Alexandrowitsch, Miussow fühlte sich schließlich im höchsten Grade erniedrigt und beschimpft.
    »An diesem Skandal sind wir alle schuld!« sagte er heftig. »Als ich herkam, habe ich so etwas nicht geahnt, obwohl ich wußte, mit wem ich es zu tun hatte. Der Sache muß ein Ende gemacht werden. Glauben Sie mir, Ehrwürden, daß ich alle hier aufgedeckten Einzelheiten nicht näher kannte. Was ich vorher gehört hatte, mochte ich nicht glauben; und vieles erfahre ich heute zum erstenmal. Ein Vater ist auf seinen Sohn eifersüchtig wegen einer liederlichen Frauensperson. Er trifft mit diesem Geschöpf eine Verabredung, um seinen Sohn ins Gefängnis zu bringen ... In solcher Gesellschaft mußte ich also hier erscheinen! Ich bin getäuscht worden. Ich erkläre, daß ich nicht weniger getäuscht worden bin als alle anderen Leute ... «
    »Dmitri Fjodorowitsch!« schrie plötzlich Fjodor Pawlowitsch mit fremd klingender Stimme. »Wären Sie nicht mein Sohn, ich würde Sie augenblicklich zum Duell fordern! Pistolen, drei Schritt Distanz, übers Tuch!« schloß er und stampfte mit beiden Beinen auf. Es gibt bei alten Lügnern, die ihr Leben lang geschauspielert haben, Minuten, da gehen sie so

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