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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zusammengeknüllt und in den Sand getreten, sonst aber vollständig heil geblieben und knisterten sogar wie neu, als Aljoscha sie auseinanderfaltete und glattstrich. Nachdem er das getan hatte, legte er sie zusammen, steckte sie in die Tasche und ging zu Katerina Iwanowna, um ihr über den Erfolg ihres Auftrags zu berichten.

Fünftes Buch
Pro und Kontra
1. Die Verlobung
    Frau Chochlakowa war wieder die erste, die Aljoscha entgegenkam. Sie war in großer Eile und sehr aufgeregt: Es sei etwas Wichtiges geschehen. Katerina Iwanownas hysterischer Anfall habe mit einer Ohnmacht geendet; darauf sei »schreckliche Schwäche« über sie gekommen, sie habe sich hingelegt, die Augen geschlossen und angefangen zu phantasieren. Jetzt habe sie Fieber; es sei nach Doktor Herzenstube sowie nach den Tanten geschickt worden. Die Tanten seien schon da, aber Doktor Herzenstube noch nicht. Alle säßen bei ihr im Zimmer und warteten. Irgend etwas müsse sich daraus entwickeln, noch sei sie aber ohne Bewußtsein.
    »Wenn es nur kein Nervenfieber wird!«
    Als Frau Chochlakowa das ausrief, sah sie ernstlich besorgt aus. »Jetzt ist die Sache ernst, jetzt ist die Sache ernst!« fügte sie nach jedem Wort hinzu, als sei alles, was früher mit Katerina Iwanowna vorgefallen war, nicht ernst gewesen. Aljoscha hörte ihr bekümmert zu; als er anfing, ihr auch seine Erlebnisse zu erzählen, unterbrach sie ihn gleich bei den ersten Worten, sie habe keine Zeit. Sie bat ihn, sich zu Lisa zu setzen und bei dieser auf sie zu warten.
    »Liebster Alexej Fjodorowitsch!« flüsterte sie ihm beinahe ins Ohr. »Lise hat mich soeben zutiefst erstaunt, aber auch gerührt, und darum verzeiht ihr mein Herz alles. Denken Sie nur: Sie waren kaum gegangen, als sie auf einmal aufrichtig zu bereuen begann, daß sie sich gestern und heute über Sie lustig gemacht habe. Doch dabei hat sie sich eigentlich gar nicht über Sie lustig gemacht, sondern nur gescherzt. Aber sie bereute es so ernsthaft, beinahe bis zu Tränen, daß ich wirklich erstaunt war. Niemals hat sie es früher ernsthaft bereut, wenn sie sich über mich lustig gemacht hatte, höchstens einmal im Scherz. Und Sie wissen, daß sie sich alle Augenblicke über mich lustig macht. Aber jetzt bereut sie ernsthaft, jetzt kommt es bei ihr ganz ernst heraus. Sie legt außerordentlichen Wert auf die Meinung, die Sie von ihr haben, Alexej Fjodorowitsch. Und wenn es Ihnen möglich ist, seien Sie ihr nicht böse, machen Sie ihr keine Vorwürfe. Ich selbst behandle sie mit der größten Nachsicht, weil sie so ein verständiges Kind ist. Werden Sie es mir glauben – sie sagte eben zu mir, Sie seien ihr Freund in ihren Kinderjahren gewesen. ›Mein bester Freund in meinen Kinderjahren!‹ Denken Sie nur, ihr bester Freund! Und ich? Sie hat in dieser Hinsicht sehr ernsthafte Gefühle und sogar Erinnerungen. Ganz besonders imponieren mir aber diese Redewendungen und ganz unerwarteten Wortspiele, auf die man gar nicht gefaßt ist, plötzlich springt ihr eins aus dem Mund. So erst neulich von einer Linde. Das war so: Bei uns im Garten stand in ihrer frühesten Kindheit eine Linde; vielleicht steht sie auch noch da, so daß man gar nicht in der Vergangenheitsform von ihr zu reden braucht. Linden sind ja keine Menschen – sie bleiben lange unverändert, Alexej Fjodorowitsch. ›Mama‹, sagte sie, ›ich erinnere mich noch an diese Linde – sie duftete so linde.‹ Sie drückte das sicher etwas anders aus; so wie ich es sage, klingt es dumm. Jedenfalls sagte sie bei dieser Gelegenheit etwas so Originelles, daß ich schlechterdings nicht imstande bin, es wiederzugeben. Ich habe es auch schon ganz vergessen. Nun, auf Wiedersehen! Ich bin sehr erschüttert und werde wohl den Verstand verlieren. Alexej Fjodorowitsch, ich habe in meinem Leben schon zweimal den Verstand verloren und bin jedesmal wieder geheilt worden. Gehen Sie zu Lise! Machen Sie ihr wieder Mut, wie Sie das so vorzüglich verstehen ... Lise!« rief sie und ging zu ihrer Tür. »Da bringe ich dir Alexej Fjodorowitsch, den du so schwer beleidigt hast. Und er ist gar nicht böse, versichere ich dir. Er wundert sich vielmehr, wie du so etwas hast denken können!«
    »Merci, Mama! Treten Sie ein, Alexej Fjodorowitsch!«
    Aljoscha trat ein.
    Lisa sah ihn verlegen an und wurde auf einmal ganz rot. Sie schämte sich offenbar über etwas und begann, wie man das in solchen Fällen immer tut, schnell von etwas Nebensächlichem zu reden, als ob sie sich in diesem

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