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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Richter ist!‹ dachte ich. ›Ich kann meiner Bestrafung nicht mehr entgehen, denn er weiß alles!‹ Nicht daß ich eine Denunziation von deiner Seite gefürchtet hätte, dieser Gedanke kam mir überhaupt nicht. Nein, ich dachte: ›Wie werde ich ihm künftig in die Augen sehen können, wenn ich mich nicht selber stelle? Und wenn er wer weiß wie weit wegziehen würde – solange er am Leben bleibt, ist mir der Gedanke unerträglich, daß er alles weiß und mich verurteilt!‹ Ich haßte dich, als wärst du der Urheber von allem und an allem schuld. Ich kehrte damals zu dir zurück und erinnere mich, daß bei dir auf dem Tisch ein Dolch lag. Ich setzte mich und bat dich, du möchtest dich ebenfalls setzen, und dachte eine Minute lang nach. Wenn ich dich getötet hätte, wäre ich allerdings wegen dieses Mordes verloren gewesen, auch wenn ich das frühere Verbrechen nicht bekannt hätte aber daran dachte ich in diesem Augenblick überhaupt nicht, wollte ich auch nicht denken. Ich haßte dich nur und wollte mich an dir mit Gewalt für alles rächen. Gott hat jedoch den Teufel in mir niedergerungen. Du sollst aber wissen, daß du dem Tod nie näher gewesen bist.«
    Eine Woche später starb er. Die ganze Stadt begleitete seinen Sarg zum Friedhof. Der erste Geistliche hielt eine tiefempfundene Rede. Man beklagte die furchtbare Krankheit, durch die sein Leben so verkürzt worden war. Doch nach der Beerdigung war die ganze Stadt über mich entrüstet, und viele brachen den Verkehr mit mir ab. Einige allerdings, anfangs nur wenige, allmählich jedoch immer mehr, begannen an die Wahrheit seiner Selbstbezichtigung zu glauben; sie besuchten mich und versuchten mich neugierig und schadenfroh auszufragen: Der Mensch freut sich eben über den Fall und die Schmach des Gerechten. Aber ich schwieg und zog bald darauf für immer aus der Stadt fort. Und fünf Monate danach wurde ich von Gott dem Herrn gewürdigt, einen festen, herrlichen Weg zu betreten, und segnete den unsichtbaren Finger, der mir diesen Weg so deutlich gewiesen hatte. Des Gottesknechts Michail aber, der so viel hat dulden müssen, gedenke ich in meinem Gebet täglich, bis auf den heutigen Tag.
3. Aus den Gesprächen und Belehrungen des Starez Sossima
e) Über den russischen Mönch und seine mögliche Bedeutung
    Meine Väter und Lehrer, was ist ein Mönch? In der aufgeklärten Welt wird dieses Wort von manchen heutzutage schon mit Spott ausgesprochen, und von einigen geradezu als Schimpfwort gebraucht. Und je länger das dauert, desto schlimmer wird es. Leider ist es wahr, daß es auch unter den Mönchen viele Tagediebe, Wüstlinge, Schlemmer und Herumtreiber gibt. Auf sie weisen die gebildeten Weltleute hin. »Ihr seid Faulenzer und nutzlose Glieder der menschlichen Gesellschaft!« sagen sie. »Ihr lebt von fremder Arbeit, als schamlose Bettler!« Und doch gibt es unter den Mönchen auch so viele demütige und fromme Männer, die es nach Einsamkeit verlangt und nach heißem Gebet in der Stille. Auf sie weisen die Weltleute weniger hin, ja sie übergehen sie sogar stillschweigend. Wie würden sie sich aber wundern, wenn ich sage, daß von diesen frommen, sich nach einsamem Gebet sehnenden Mönchen vielleicht noch einmal die Rettung der russischen Erde kommen wird! Denn in Wahrheit sind sie in der Stille vorbereitet »auf den Tag und die Stunde und den Monat und das Jahr«. Sie bewahren bis dahin in ihrer Einsamkeit das Bild Christi herrlich und unentstellt in der Wahrheit Gottes, so wie es aus der Zeit der ältesten Väter, der Apostel und Märtyrer überliefert ist; und sobald es nötig ist, werden sie es der schwankenden Wahrheit dieser Welt zeigen. Das ist ein gewaltiger Gedanke. Vom Osten her wird dieser Stern aufgehen.
    So denke ich über den Mönch – und ist das wirklich unwahr und hochmütig? Schaut euch doch nur die Weltleute und diese ganze Welt an, die sich über das Volk Gottes erhaben dünkt: Ist nicht bei ihnen das Antlitz Gottes und seine Wahrheit entstellt? Sie haben ihre Wissenschaft, doch in der Wissenschaft ist nur das enthalten, was den Sinnen unterworfen ist. Die geistige Welt aber, die höhere Hälfte des menschlichen Wesens, wird vollständig negiert und mit einem gewissen Triumph, ja sogar mit Haß zurückgewiesen. Die Welt hat die Freiheit verkündet, besonders in der letzten Zeit – und was sehen wir als Resultat dieser ihrer Freiheit? Nur Knechtschaft und Selbstmord! Denn die Welt sagt: »Du hast Bedürfnisse, darum befriedige sie; du

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