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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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besitzt dasselbe Recht wie die Vornehmsten und Reichsten! Scheue dich nicht, sie zu befriedigen, sondern steigere sie sogar noch!« Das ist die heutige Lehre der Welt. Darin sehen sie die Freiheit. Und was ist die Folge dieses Rechtes auf Steigerung der Bedürfnisse? Bei den Reichen Isolierung und geistiger Selbstmord, und bei den Armen Neid und Mord. Denn das Recht haben sie ihnen zwar gegeben, doch die Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse haben sie ihnen nicht gewiesen. Sie versichern, die Welt werde sich immer mehr einigen, sich zu einer brüderlichen Gemeinschaft zusammenschließen, indem sie die Entfernungen verkürzt und die Gedanken durch die Luft übermittelt. O weh, glaubt nicht an eine solche Einigung der Menschen! Dadurch, daß sie unter Freiheit nur Steigerung und schnelle Befriedigung ihrer Bedürfnisse verstehen, verderben sie ihre Natur, weil sie in sich viele sinnlose, dumme Wünsche und Gewohnheiten und törichte Einfälle wecken. Sie leben nur, um einander zu beneiden und ihre Lüste und ihre Eitelkeit zu befriedigen. Diners, Spazierfahrten, Equipagen, hoher Rang und knechtische Untergebene: diese Dinge gelten bereits als so notwendiges Bedürfnis, daß sie sogar ihr Leben, ihre Ehre und ihre Menschenliebe opfern, um nur dieses Bedürfnis zu befriedigen, und sich sogar töten, wenn sie es nicht befriedigen können. Bei denen, die nicht reich sind, sehen wir dasselbe; die Armen aber betäuben ihren Ärger, daß sie ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können, und ihren Neid einstweilen durch Trinken. Bald werden sie sich jedoch an Blut statt an Branntwein berauschen; dahin bringt man sie ja geradewegs. Ich frage euch, ist ein solcher Mensch frei? Ich kannte einen »Kämpfer für die Idee«, der mir selbst erzählt hat, als ihm im Gefängnis der Tabak entzogen wurde, habe er unter dieser Entbehrung dermaßen gelitten, daß er nahe daran gewesen sei, seiner »Idee« untreu zu werden, nur um Tabak zu bekommen. So einer sagt: »Ich werde für die Menschen kämpfen!« Was wird so ein Mensch denn anfangen, wozu ist er fähig? Höchstens zu einer raschen Tat, Ausdauer besitzt er nicht. Und es ist nicht verwunderlich, daß sie sich, statt frei zu werden, in Knechte verwandelt haben, daß sie, statt der Bruderliebe und der menschlichen Vereinigung zu dienen, in die Isolierung geraten sind, wie mir in meiner Jugend mein geheimnisvoller Besucher und Lehrer bewies. Und daher erlischt in der Welt mehr und mehr die Idee, der Menschheit zu dienen, die Idee der Verbrüderung und Solidarität aller Menschen. Diese Idee wird tatsächlich bereits verhöhnt und verspottet, denn wie kann man von seinen Gewohnheiten ablassen und was sollte aus jenem Unfreien werden, der sich doch daran gewöhnt hat, seine zahllosen, selbsterdachten Bedürfnisse zu befriedigen. Er ist isoliert; was kümmert ihn da noch das Ganze? Und so haben sie es nun dahin gebracht, daß Gut und Geld angewachsen sind, die Freude jedoch abgenommen hat.
    Von ganz anderer Art ist der Weg des Mönches. Über den klösterlichen Gehorsam, über Fasten und Beten wird zwar viel gespottet, und doch ist gerade dies der Weg zur wahren, rechten Freihielt! Ich entledige mich überflüssiger Bedürfnisse, demütige und geißle meinen selbstsüchtigen, stolzen Willen durch Gehorsam und erreiche so mit Gottes Hilfe geistige Freiheit und mit ihr auch geistige Heiterkeit! Wer von beiden ist besser befähigt, Träger einer großen Idee zu sein und ihr zu dienen: der isolierte Reiche oder einer, der sich von der Tyrannei des Besitzes und der Gewohnheiten frei gemacht hat? Man tadelt den Mönch wegen seiner Isolierung. »Du hast dich abgesondert«, heißt es, »um in den Klostermauern deine Seele zu retten, vergißt aber, brüderlich der Menschheit zu dienen!« Doch wollen wir erst einmal sehen, wer mit größerem Eifer Bruderliebe übt! Die Isolierung ist nämlich nicht auf unserer, sondern auf ihrer Seite, sie merken es bloß nicht. Von uns sind von jeher diejenigen ausgegangen, die für das einfache Volk tätig gewesen sind – warum sollten sich solche nicht auch jetzt finden? Gerade die demütigen, frommen Faster und Schweiger werden sich erheben und ein großes Werk in Angriff nehmen. Vom Volk kommt Rußlands Rettung. Und das russische Kloster hat von jeher in enger Beziehung zum Volk gestanden. Wenn das Volk isoliert ist, so sind wir es auch. Das Volk ist auf unsere Art gläubig; ein ungläubiger Weltverbesserer wird bei uns in Rußland doch nichts erreichen, mag

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