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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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die ganze Nacht selbst zu lesen wünschte, hatte wie der Vorsteher der Einsiedelei gerade noch viel zu tun und außerdem den Kopf voll Sorgen. Unter der Brüderschaft des Klosters und bei den Weltlichen, die scharenweise aus dem Klostergasthof und aus der Stadt herbeikamen, machte sich nämlich immer stärker etwas Ungewöhnliches bemerkbar, eine ganz besondere, beinahe »ungehörige« Erregung und Ungeduld. Der Vorsteher und Vater Paissi bemühten sich nach Kräften, die Menschen zu beruhigen. Als es schon hell genug geworden war, kamen sogar Leute aus der Stadt mit ihren kranken Angehörigen, namentlich Kindern, als hätten sie absichtlich diesen Augenblick abgewartet. Sie vertrauten offensichtlich auf die Heilkraft des Leichnams, die sich nach ihrem Glauben sofort äußern mußte. Und erst jetzt trat klar zutage, bis zu welchem Grade sich alle bei uns daran gewöhnt hatten, den Starez noch zu seinen Lebzeiten für einen unzweifelhaft großen Heiligen zu halten. Und die da kamen, waren keineswegs nur Leute aus dem einfachen Volk. Diese große Erwartung der Gläubigen, die sich so eilig und unverhüllt, so ungeduldig und beinahe anspruchsvoll bekundete, erschien Vater Paissi als unbestreitbares Ärgernis, das er zwar schon lange vorhergeahnt hatte, das aber in Wirklichkeit seine Erwartungen weit überstieg. Aufgeregte Mönche, denen er begegnete, schalt Vater Paissi sogar ernstlich. »So unverzüglich etwas Großes zu erwarten«, sagte er, »das ist eine Leichtfertigkeit, die nur bei Weltlichen statthaft ist, uns jedoch nicht geziemt!« Aber sie hörten wenig auf ihn, und Vater Paissi bemerkte das beunruhigt. Um allerdings die Wahrheit zu sagen: Sosehr er sich über diese gar zu ungeduldigen Erwartungen ärgerte und sie leichtfertig und voreilig fand – im stillen, im tiefsten Winkel der Seele erwartete er doch fast dasselbe wie diese erregten Menschen, und er konnte nicht umhin, sich das selbst einzugestehen. Nichtsdestoweniger waren ihm einige Begegnungen besonders unangenehm und erregten in einer Art von Vorahnung seine Bedenken. Zum Beispiel bemerkte er mit großem Widerwillen, weswegen er sich sofort Vorwürfe machte, unter der Menge, die sich in der Zelle des Entschlafenen drängte, Rakitin und den Mönch aus dem fernen Obdorsk, der sich noch immer im Kloster aufhielt. Vater Paissi hielt beide sofort aus irgendwelchem Grunde für verdächtig, obgleich sie nicht die einzigen waren, die einem in diesem Sinne auffallen konnten. Der Mönch aus Obdorsk zeichnete sich unter allen durch die größte Geschäftigkeit aus; er war überall zu sehen, an allen Orten; überall erkundigte er sich, überall horchte er, überall flüsterte er mit besonders geheimnisvoller Miene. Sein Gesicht drückte größte Ungeduld aus, und er schien gereizt, weil das lange Erwartete nicht eintrat. Rakitin hingegen hatte sich, wie sich nachher herausstellte, in speziellem Auftrag von Frau Chochlakowa so früh in der Einsiedelei eingefunden. Diese gutherzige, aber charakterlose Dame, die selbst die Einsiedelei nicht betreten durfte, hatte nach dem Aufwachen kaum vom Tod des Starez gehört, als sie auch schon von so brennender Neugier gepackt wurde, daß sie sofort Rakitin mit dem Auftrag in die Einsiedelei abkommandierte, alles zu beobachten und ihr etwa alle halbe Stunden brieflich zu melden, was dort vorging. Sie hielt Rakitin nämlich für einen höchst gottesfürchtigen jungen Mann – so gut verstand er mit den Leuten umzugehen und jedem in dem Licht zu erscheinen, das dessen Wünschen entsprach, falls er auch nur den geringsten Vorteil für sich darin erblickte.
    Es war ein klarer, heller Tag, und viele von den Anwesenden drängten sich zwischen den Gräbern, die über die ganze Einsiedelei verstreut lagen, besonders dicht aber um die Kirche herum.
    Als Vater Paissi durch die Einsiedelei ging, mußte er auf einmal an Aljoscha denken; er hatte ihn lange nicht gesehen, seit der Nacht nicht. Doch kaum hatte er an ihn gedacht, sah er ihn im entferntesten Winkel der Einsiedelei auf dem Grabstein eines längst verstorbenen, durch seine Großtaten berühmten Mönchs sitzen. Er saß mit dem Rücken zur Einsiedelei und schien sich hinter dem Grabmal verbergen zu wollen. Vater Paissi trat näher und bemerkte, daß er das Gesicht mit beiden Händen bedeckt hielt und lautlos, aber bitterlich weinte, so daß sein ganzer Körper von dem Schluchzen erschüttert wurde. Vater Paissi blieb ein Weilchen neben ihm stehen.
    »Hör auf, lieber Sohn! Hör

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