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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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aus übergroßer Neugier als einziger hinter Vater Ferapont mit heraufgelaufen war. Die übrigen waren plötzlich angstvoll noch weiter zurückgewichen, als die Tür geräuschvoll aufgerissen wurde.
    Vater Ferapont brüllte mit erhobenen Armen: »Ich treibe dich aus!« und begann abwechselnd nach allen vier Himmelsrichtungen zu den Wänden und allen vier Ecken der Zelle Kreuze zu schlagen. Dies verstanden seine Begleiter sogleich; sie wußten, daß er das tat, wohin immer er kam, daß er sich nicht setzte und kein Wort redete, bevor er den Teufel ausgetrieben hatte.
    »Weiche von hinnen, Satanas, weiche von hinnen!« wiederholte er bei jedem Kreuz, das er schlug. »Ich treibe dich aus!«
    Er trug seine grobe Kutte, umgürtet mit einem Strick . Unter dem Hanfhemd war seine nackte, mit grauen Haaren bewachsene Brust sichtbar. Seine Füße waren vollständig nackt. Bei jeder Armbewegung klirrten die schweren Büßerketten, die er unter der Kutte trug.
    Vater Paissi unterbrach das Lesen, trat ihm entgegen und blieb abwartend vor ihm stehen.
    »Warum bist du gekommen, ehrwürdiger Vater? Warum verletzt du den Anstand? Warum verwirrst du die friedliche Herde?« sagte er endlich mit strengem Blick.
    »Warum ich gekommen bin? Das fragst du noch? Was glaubst du?« schrie Vater Ferapont wie ein Irrsinniger. »Ich bin gekommen, eure Gäste, die unreinen Teufel, auszutreiben. Ich sehe, es haben sich in meiner Abwesenheit ihrer viele angesammelt. Mit einem Birkenbesen will ich sie ausfegen.«
    »Du treibst den Teufel aus und dienst ihm vielleicht selbst!« fuhr Vater Paissi furchtlos fort. »Wer kann von sich sagen: Ich bin heilig. Du etwa, Vater?«
    »Unrein bin ich, nicht heilig. Aber auf einen Lehnstuhl setze ich mich nicht, und ich lasse nicht zu, daß die Leute vor mir niederfallen wie vor einem Götzenbild!« donnerte Vater Ferapont. »Heutzutage richten die Menschen den heiligen Glauben zugrunde. Der Verstorbene, euer Heiliger«, wandte er sich an die Menge und deutete mit dem Finger auf den Sarg, »hat die Teufel geleugnet. Gegen die Teufel hat er ein Abführmittel gegeben. Da haben sie sich nun bei euch eingenistet wie die Spinnen in den Ecken. Aber heute hat er selbst angefangen zu stinken. Wir sehen darin einen bedeutungsvollen Fingerzeig Gottes!«
    Das war zu Vater Sossimas Lebzeiten wirklich einmal geschehen. Einer der Mönche hatte oft vom Teufel geträumt, und zuletzt hatte er ihn auch in wachem Zustand zu sehen geglaubt. Als er dies in der größten Angst dem Starez gestanden hatte, hatte der ihm ununterbrochenes Gebet und verstärktes Fasten empfohlen. Und als auch das nicht half, hatte er ihm zusätzlich zu einem Abführmittel geraten. Daran hatten damals viele Anstoß genommen, und am meisten Vater Ferapont, dem einige Unzufriedene schleunigst von diesem ungewöhnlichen Rat des Starez Mitteilung gemacht hatten.
    »Geh hinaus, Vater!« sagte Vater Paissi gebieterisch. »Gott ist Richter, nicht die Menschen. Vielleicht haben wir hier einen Fingerzeig vor Augen, den weder du noch ich, noch sonst jemand verstehen kann. Geh hinaus, Vater, und verwirre nicht die Herde!« wiederholte er nachdrücklich.
    »Die Fasten hielt er nicht so ein, wie er als Mönch strengster Regel gesollt hätte. Das ist klar, und es verbergen zu wollen wäre Sünde!« rief der Fanatiker, der sich nicht beruhigen ließ und in seinem sinnlosen Eifer außer sich geriet. »Von Konfekt hat er sich verführen lassen, die Damen haben ihm welches in ihren Taschen mitgebracht! Tee hat er geschleckt und seinem Bauch gefrönt! Mit Süßigkeiten hat er ihn gefüllt, seinen Geist aber mit hochmütigen Gedanken! Darum hat er jetzt diese Schmach erlitten ...«
    »Leichtfertig sind deine Worte, Vater!« erwiderte Vater Paissi, nun ebenfalls mit erhobener Stimme. »Dein Fasten und deine strenge Askese bewundere ich – doch leichtfertig sind deine Worte, als ob sie draußen in der Welt ein haltloser, unreifer Jüngling spräche. Geh hinaus, Vater! Ich befehle es dir!«
    »Ich werde schon gehen!« sagte Vater Ferapont, nunmehr wohl etwas verlegen, ohne jedoch in seinem Zorn, nachzulassen. »O ihr Gelehrten! Infolge eures großen Verstandes dünkt ihr euch über mich geringen Menschen erhaben. Als ich seinerzeit hierher in die Einsiedelei kam, konnte ich nur wenig lesen und schreiben. Und hier habe ich das, was ich wußte, auch noch vergessen: Gott der Herr hat mich Geringen vor eurer Weisheit behütet ...«
    Vater Paissi stand vor ihm und wartete in

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