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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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müßte plötzlich erfolgen, gleichsam auf höhere Eingebung hin. So meinte er, sie würde auf einmal zu ihm sagen: »Nimm mich hin, ich bin auf ewig die Deine!« – und dann würde alle Not ein Ende haben. Er würde sie nehmen und ans Ende der Welt bringen. Oh, er würde sie sogleich wegbringen, malte er sich aus, so weit wie möglich, wenn nicht bis ans Ende der Welt, so doch irgendwohin an die Grenze Rußlands, wo er sie heiraten und sich inkognito mit ihr niederlassen würde, so daß niemand etwas von ihnen wissen konnte, weder hier noch dort noch sonstwo. Und dann würde sogleich ein neues Leben beginnen! Von diesem anderen, neuartigen, tugendhaften Leben – tugendhaft sollte es unbedingt sein, unbedingt! – phantasierte er fortwährend geradezu hingerissen. Er sehnte sich nach dieser Auferstehung und Erneuerung. Der schmutzige Pfuhl, in dem er nach eigenem Willen versunken war, ekelte ihn zu sehr an; und wie viele in solchen Fällen versprach er sich die beste Wirkung von einer Ortsveränderung: Nur weg von diesen Menschen, nur hinaus aus diesen Verhältnissen, nur fort von diesem verfluchten Ort – dann würde alles eine Wiedergeburt erleben, einen neuen Weg gehen! Daran glaubte er, mit diesen Gedanken quälte er sich ab.
    Aber dies alles war nur denkbar im Fall einer positiven Entscheidung der Frage. Es gab aber auch eine andere Entscheidung, auch ein anderer, schrecklicher Ausgang war möglich. Sie konnte plötzlich zu ihm sagen: »Mach, daß du wegkommst! Ich habe mich für Fjodor Pawlowitsch entschieden und werde ihn heiraten! Dich kann ich nicht brauchen! ... Und dann ...« Mitja wußte nicht, was dann geschehen würde. Bis zur letzten Stunde wußte er es nicht; das muß zu seiner Verteidigung gesagt werden. Bestimmte Absichten hatte er nicht, er plante kein Verbrechen. Er beobachtete bloß, spionierte und quälte sich selbst – aber er bereitete sich doch nur auf den einen, auf den glücklichen Ausgang seines Geschicks vor. Er vertrieb sogar jeden anderen Gedanken.
    Hier begann jedoch wiederum die nächste Qual; ein ganz neuer, fremdartiger, ebenso schwieriger, verhängnisvoller Umstand lag als Hindernis vor ihm. Falls sie nämlich zu ihm sagen sollte: »Ich bin die Deine, bring mich von hier fort!« – auf welche Weise konnte er sie dann fortbringen? Wo hatte er die Geldmittel dazu? Gerade zu diesem Zeitpunkt waren alle Einnahmen versiegt, die er bisher jahrelang aus Fjodor Pawlowitschs Zahlungen gehabt hatte. Freilich hatte Gruschenka Geld, doch Mitja legte in dieser Hinsicht auf einmal einen gewaltigen Stolz an den Tag. Er wollte sie auf eigene Kosten fortbringen und aus eigenen Mitteln, nicht aus ihren, ein neues Leben mit ihr beginnen. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, von ihr Geld anzunehmen, und litt unter diesem Gedanken bis zur Unerträglichkeit. Ich will mich über diese Tatsache jetzt nicht ausführlicher auslassen und keine psychologische Untersuchung darüber anstellen; ich vermerke nur, daß seine seelische Verfassung in diesem Augenblick so beschaffen war. Möglich, daß sich das alles indirekt und gewissermaßen unbewußt aus den Gewissensbissen ergab, die er sich wegen des von Katerina Iwanowna erschlichenen Geldes machte. ›Der einen gegenüber habe ich mich wie ein Schuft benommen, und der anderen gegenüber werde ich mich auch wieder als ein Schuft erweisen!‹ dachte er damals, wie er später selber gestand. ›Und wenn Gruschenka das erfährt, wird sie so einen Schuft nicht zum Mann haben wollen ... Woher sollte er also dieses verhängnisvolle Geld nehmen? Sonst war vorauszusehen, daß alles in die Brüche ging und nichts zustande kam. Und einzig und allein, weil ich nicht genug Geld habe, welche Schmach!‹
    Ich greife vor: Das war es ja eben, daß er vielleicht wußte, wo er dieses Geld erlangen konnte! Genaueres will ich diesmal nicht sagen, später wird alles klarwerden. Jedenfalls bestand gerade darin für ihn das Hauptunglück, und ich will dazu wenn auch nur unklar, noch folgendes sagen: Um ein Recht zu haben, dieses irgendwo liegende Geld zu nehmen, mußte er vorher Katerina Iwanowna die dreitausend Rubel zurückerstatten. ›Sonst bin ich ein Taschendieb, ein Schuft, und ich will mein neues Leben nicht als Schuft beginnen!‹ sagte sich Mitja und beschloß, notfalls die ganze Welt auf den Kopf zu stellen, aber Katerina Iwanowna diese dreitausend Rubel um jeden Preis zurückzugeben. Der Schlußprozeß dieser Entscheidung vollzog sich bei ihm während des letzten

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